Wir können alles. Nur kein Plattdeutsch

Wer Plattdeutsch spricht, schneidet beim Pisa-Test besser ab, sagt Reinhard Goltz vom Institut für Niederdeutsche Sprache. Was die norddeutschen Länder von allen Schwätzern aus dem Schwäbischen lernen können

Was Bayern und Schwaben recht ist, kann den Hamburgern und Bremern nur billig sein. Besonders, wenn es um Pisa geht. „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“: Mit diesem Spruch wirbt Baden-Württemberg nicht nur für das Image seiner Landsleute. Der Slogan birgt auch das innere Geheimnis für das gute Abschneiden der Schwaben beim Pisa-Test.

Denn wer Schwäbisch oder Bayerisch spricht, der ist auch besser in der Schule. Sagt der Vorsitzende der deutschen Philologen-Verbandes, Heinz-Peter-Meidinger. Und was die Dialekte aus den Südstaaten gilt, muss auch für das Plattdeutsche gelten. Sagt der Geschäftsführer des Instituts für Niederdeutsche Sprache (INS) in Bremen, Reinhard Goltz.

Wer Platt snacke, tue sich auch in Deutsch oder Mathe leichter. „Das ist wie Jogging fürs Gehirn“, sagt Goltz. Es sei intellektuell fordernd, trainiere die Auffassungsgabe und das abstrakte Denken. Erfüllt also den gleichen Zweck wie das Lateinische. Das wollten uns unsere Eltern mit eben diesem Argument schmackhaft machen. Und Platt hat den Vorteil, eine lebendige Sprache zu sein.

Meidinger weist darauf hin, „dass Dialektsprecher schon früh lernen, zwischen verschiedenen Sprachebenen zu unterscheiden“. Anders gesagt: Wer nur des Hochdeutschen mächtig ist, muss sich nie Gedanken über seine Sprache machen.

Genau diese Reflektionen aber sind es, die Südstaatler klug machen: Der Rang der Bundesländer bei der zweiten nationalen Pisa-Studie, so Goltz, „steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbreitung von Bayerisch oder Schwäbisch.“

Auch die norddeutschen Schulen tun wenig zur Förderung des Platt. In Hamburg sieht der Lehrplan für den Deutsch gerade mal einen einzigen plattdeutschen Text pro Jahr vor. In den anderen norddeutschen Bundesländern sieht es noch schlechter aus.

Wie das endet, hat eine Studie aus Oldenburg herausgefunden. Dort verglich man Deutschaufsätze von Dritt- und Sechstklässlern. Ergebnis: Kinder, die plattdeutsch aufwachsen, machen fast ein Drittel weniger Fehler.

Diese Erkenntnisse seien zwar nicht neu, sagt Goltz. Doch hätten die Pisa-Verlierer wenig daraus gelernt. Das INS fordert deshalb mehr Ganztagesschulen. Nicht, weil die PolitikerInnen aus Bayern auf dieses Modell setzen würden. Sondern weil dann mehr Zeit wäre für Plattdeutsch. Derzeit können immerhin noch rund fünf bis acht Millionen Deutsche von sich sagen: „Ick snack platt“.

Bei den Schwaben hingegen, so der INS-Chef mit einigem Neid, „ist es völlig selbstverständlich, immerzu schwäbisch zu schwätzen.“ Nordlichter trennen da: Entweder Hoch- oder Niederdeutsch. Platt ist eben kein Dialekt, sondern eine eigene Sprache. Aber eine wenig normierte. Deswegen kommt sie auch ganz und gar ohne Rechtschreibreform aus. Noch ein Vorteil im Pisa-Vergleich. Jan Zier