: GAU: Größter anzunehmender Uldall
Industrieunternehmen wandern ab, Arbeitsplätze schafft er nicht, jetzt soll der Wirtschafts- und Arbeitssenator auch noch die Energiepolitik erledigen: Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust befördert Gunnar Uldall zum Atomwirtschaftssenator
von Sven-Michael Veit
Da hat Gunnar Uldall aber Grund zum Strahlen. Bürgermeister Ole von Beust springt seinem angeschlagenen Wirtschaftssenator (beide CDU) in die Seite. „Ab sofort“ sei der 64-Jährige auch für Medienpolitik und Marketing sowie für Hamburgs Energiewirtschaft verantwortlich, verkündete der Regierungschef gestern. Und das bedeutet vor allem: Atomkraft.
Nach dem Scheitern der Rettungsbemühungen für das Hamburger Aluminium-Werk (HAW) am 12. Juli (siehe Kasten) hatte Uldall „eine neue Energiepolitik“ gefordert. Kernpunkt müsse „die Verlängerung der Laufzeiten“ der Atomkraftwerke sein, deren schrittweise Stilllegung im Atom-Konsens zwischen rot-grüner Bundesregierung und Energiewirtschaft vor fünf Jahren vereinbart worden war.
Von den vier Reaktoren im Hamburger Umland wurde Stade bereits am 15. November 2003 abgeschaltet, Brunsbüttel (2008) Krümmel (2014) und Brokdorf (2020) sollen folgen. Nach der Bundestagswahl werde Hamburg aber „entsprechende Initiativen in den Bundesrat einbringen“, verkündete Uldall, der von 1983 bis 2001 Bundestagsabgeordneter war: Die „verfehlte“ Politik“ in Berlin müsse geändert werden. Auch von Beust macht die Bundesregierung für die Schließung der HAW verantwortlich: „Die Strompreise für Industrieunternehmen sind zu hoch“, dagegen hülfe „mehr Strom aus sicheren Atomkraftwerken“.
Die Ämterhäufung Uldalls geschehe „in Abstimmung mit den Kollegen im Senat“, beteuerte der Bürgermeister gestern, vor allem mit dem Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Freytag, in dessen Ressort bislang die Federführung für die Energiepolitik lag. Ausdrücklich möchte von Beust Uldalls Beförderung als Beweis verstanden wissen, „dass das persönliche Vertrauen ohne Zweifel da ist“.
Uldall war in den vergangenen Monaten von allen Seiten heftig unter Beschuss geraten. Vor der HAW-Niederlage hatte er bereits den Windanlagenhersteller Repower verärgert abwandern lassen und Teile der Hafenwirtschaft gegen sich aufgebracht. Vor allem mittelständische Unternehmen in Steinwerder warfen ihm vor, sie für neue Containerterminals zu opfern. Monatelang mahnten sie vergeblich Ersatzflächen an für den Fall, dass sie verlagert werden sollten.
Voll erwischt wurde Uldall im Mai von der Entscheidung der Norddeutschen Affinerie (NA), ihren Kupferumschlag ab 2007 von Hamburg in den schleswig-holsteinischen Kleinhafen Brunsbüttel an der Elbmündung zu verlagern. Der streitbare NA-Chef Werner Marnette, zugleich Vorsitzender des einflussreichen Industrieverbandes Hamburg, klagte nach 14 Monaten erfolgloser Verhandlungen mit Uldalls Behörde, er sei „ins Mühlwerk der Bürokratie geraten“.
Zudem warf die Opposition Uldall mehrfach Versagen in der Arbeitsmarktpolitik vor. Weil die Arbeitslosigkeit in Hamburg entgegen dem Bundestrend in den vorigen Monaten stieg, forderten SPD und GAL seinen Rücktritt. Vorigen Samstag entwarf auch Springers Abendblatt ein Szenario, wonach Uldall und die noch heftiger umstrittene CDU-Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (siehe Text rechts) nach der Bundestagswahl entlassen würden. Er plane keine Senatsumbildung, versicherte hingegen gestern von Beust, „beide haben mein volles Vertrauen“.
Uldall zumindest rackert unermüdlich strahlend weiter für den Standort: Morgen wird er die ersten 19 Bordtoiletten für den Riesen-Jet A380 persönlich an Airbus übergeben. Natürlich „im Rahmen einer Feier“.