in fußballland
: Wie damals bei Willy

CHRISTOPH BIERMANN hat das neue „kicker“-Bundesliga-Heft studiert – und sich wieder daran berauscht

Vor gut 400 Jahren kaufte ich mein erstes kicker-Bundesliga-Heft, das ich heute noch besitze und sich besten Zustandes erfreut, weil ich herausfand, dass es selbst klebende Schutzfolie zu kaufen gibt. Deshalb kann ich auch sicher sagen, dass zwischen jenem ersten Sonderheft von 1973 und dem, das ich am letzten Montag gekauft habe, kein wesentlicher Unterschied besteht, auch wenn damals Willy Brandt noch Bundeskanzler war und sich die Menschen heute so genannte DVDs anschauen. Weil das so ist, ist dem aktuellen Sonderheft eine solche beigefügt, die drei Stunden lang ist. (Man hat jedoch schon nach drei Minuten das Gefühl, die ganze Zeit abgesessen zu haben, weiß hinterher aber zumindest, dass die Sportschau-Moderatorin Monica Lierhaus zwei Köpfe kleiner ist als kicker-Chefredakteur Rainer Holzschuh.)

Im Heft selbst, das zu Recht mit dem Stempel „Das Original“ versehen worden ist, hat es im Vergleich zu den Vorjahrzehnten keine Änderungen gegeben. (Es mag sein, dass die Auflistung der vergebenen Elfmeter in der abgelaufenen Bundesligasaison neu ist, auf jeden Fall ist sie toll, und ich habe sie in Ruhe durchgearbeitet.) Zuerst aber muss man die Trikots anschauen, was diesmal eine Enttäuschung ist, so wenig modifiziert kommen die Hemden der meisten Klubs daher. Selbst bei den Zweitligisten muss man das Ende der Geschmacklosigkeit konstatieren, und die Shirts der Borussia aus Dortmund sind sogar schöner geworden. Nur die von Werder Bremen sehen in ihre Papageienhaftigkeit aus, als wären sie von dem Billigtextildiscounter, für den der Klub auf seinem Shirt wirbt. Ähnlich sieht es mit den Trikotsponsoren aus: Viele Energieunternehmen, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen, Brauereien und kaum Obskures. Da ist man dem 1. FC Saarbrücken für die rätselhaften Victor’s Residenzhotels fast schon dankbar. Und Herrn Finke aus Paderborn natürlich. Der ist Präsident des Zweitligaaufsteigers und wirbt auf dessen Brust für seine eigenen Einrichtungshäuser.

Die traditionell größte Freude am kicker-Sonderheft aber besteht im gemächlichen Beschreiten der seit vielen Jahrhunderten immer gleich strukturierten Welt der Vereinsseiten: Zugänge, Abgänge, Trainer, Trainer der letzten Jahre, Termine und natürlich die Spielerbiografien. Wobei jene in der zweiten Liga stets interessanter sind, auch wenn man manchmal denkt, im Sonderheft von Serbien und Montenegro gelandet zu sein. Doch in der ersten Liga sind einem die Karrieren der Spieler einfach präsenter, obwohl es dann schon verblüfft, dass Nebosja Krupnikovic, der alte Trickser, schon in sechs Ländern gespielt hat, darunter Japan und Belgien. Wird Arminia Bielefeld das im Abstiegskampf helfen? Den Spieler mit dem besten Namen hat hingegen der VfL Bochum unter Vertrag genommen. Er kommt aus Brasilien und heißt China – das wird mit sofortigem Wiederaufstieg belohnt. Zweitbester Name: Marc Gouiffe à Gouffan (SC Paderborn 07). Der dritte Platz geht an den für einen Kanadier erstaunlichen Namen Tamandani Nsaliwa aus Saarbrücken.

Didi Schacht, früher ein Haudegen beim MSV Duisburg, trainiert jetzt übrigens das Frauenteam vom SC 07 Bad Neuenahr, und in den Oberligen brachten gleich drei Klubs die Saison nicht zu Ende. Hoffentlich hat der 1. FC Eschborn mehr als die 15 aufgelisteten Spieler für seine Regionalligasaison, und Alberto Mendez, der mal von Arsenal London unter Vertrag genommen wurde, spielt jetzt in Bayreuth. Doch das ist nicht das einzige traurige Schicksal.

Hart getroffen hat es in Albanien den KF Laci, der im letzten Sommer voller Hoffung aufgestiegen war und mit nur 2 Punkten aus 36 Spielen wieder hinuntergeschickt wurde. Horror auch in Aserbaidschan, wo gleich vier Klubs aus der Hauptstadt Baku abstiegen und nur einer auf. Zum Trost: Es sind dann immer noch fünf Klubs aus Baku in der ersten Liga. Bei der Auflistung „Deutsche im Ausland“ finden sich Spieler, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt. Ich jedenfalls hatte von den 18 deutschen Luxemburgprofis (allein 7 bei CS Grevenmacher, sogar 8 bei Victoria Rosport) noch nie gehört.

Ach, ich könnte ewig so weitermachen und freue mich schon aufs nächste Jahr.