: Galgenfrist für Todeskandidat Warren Hill
USA Hinrichtung von geistig Behindertem in Georgia verzögert sich allein wegen Formfehlern
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Warren Lee Hill hatte sein letztes Mahl gegessen: Bohnen, Burrito, Reis, Mais, grüner Kohl und Gebäck. Und saß in einer Wartezelle neben dem Hinrichtungsraum, als er erfuhr, dass er noch einmal eine Galgenfrist bekommt. Am späten Montagnachmittag, weniger als zwei Stunden vor der geplanten tödlichen Spritze, entschied das Oberste Gericht von Georgia, die Hinrichtung des Afroamerikaners auszusetzen. Das Gericht gab sich bis zum April 2013 Zeit, um darüber nachzudenken.
AktivistInnen und PolitikerInnen aus aller Welt hatten gegen die Hinrichtung des geistig Behinderten protestiert. An mehreren Orten in Georgia hatten am Montagnachmittag bereits Mahnwachen begonnen. Doch davon ließen sich die obersten RichterInnen in Georgia nicht beeindrucken. Was sie bewog, war vielmehr eine Behördenvorschrift.
Erst in der Vorwoche hatte die Strafvollzugsbehörde in Georgia entschieden, dass sie fortan nicht mehr mit dem seit Jahren erprobten Drei-Drogen-Cocktail töten will, sondern nur noch mit einer einzigen Droge, Pentobarbital. Hill sollte als erster Todeskandidat in Georgia mit Pentobarbital hingerichtet werden. Das Oberste Gericht entschied am Montag, dass die für eine solche Umstellung nötige Frist von 30 Tagen nicht eingehalten worden sei. Die AnwältInnen von Hill werden versuchen, in dieser Zeit Hilfe beim Obersten Gericht in Washington zu bekommen.
Eine Anfechtung der Hinrichtung wegen Hills geistiger Behinderung hingegen lehnte das Oberste Gericht ab. Nur ein Mitglied des Gerichts, der Afroamerikaner Robert Benham, stimmte am Montag dafür, sich damit auseinanderzusetzen.
Expräsident Carter und zahlreiche Menschenrechtsgruppen haben gegen die Hinrichtung protestiert. Auch ein Neffe von Joseph Handspike, den Hill 1990 in der gemeinsamen Gefängniszelle erschlagen hat, sprach sich in diesem Sinne aus. Hills AnwältInnen haben mehr als ein Jahrzehnt lang versucht, seine Hinrichtung zu stoppen.
Georgia war im Jahr 1988 der erste Bundesstaat der USA, der Hinrichtungen von Behinderten verbot. Erst ein Jahrzehnt später schloss sich das Oberste Gericht in Washington dieser Entscheidung an. Doch die Crux in Georgia ist das Detail: Die Beweislast für die geistige Behinderung liegt bei dem Behinderten selbst. Und die Belege, die verlangt werden, sind höher, als in jedem anderen Bundesstaat der USA. In anderen Bundesstaaten, darunter Ohio, kommt es vor, dass konservative Gouverneure zum Tode verurteilte geistig Behinderte begnadigen.
Hill hat einen Intelligenzquotienten von 70. Seine Lehrer sagen, dass er schon als Kind zurückgeblieben war. Seine AnwältInnen berichten, dass er Schwierigkeiten hat, überhaupt mit ihnen zu kommunizieren. Und im Jahr 1991 stellten auch zwei Richter bei Berufungsverfahren in Georgia fest, dass er höchstwahrscheinlich geistig behindert sei.
Der Hintergrund für die Umstellung von drei auf eine Droge bei dem tödlichen Cocktail in Georgia sind vermutlich Nachschubprobleme. Doch die offizielle Begründung der Strafvollzugsbehörde lautet, dass sie auf die andere Droge umstelle, weil „Verantwortung und Professionalität“ ihr Hauptanliegen sei.
Anders als bei früheren Anlässen, hat die geplante Hinrichtung von Hill keine große Protestwelle ausgelöst. Der Mann ist kein Sympathieträger. Er hat im Jahr 1985 seine 18-jährige Freundin Myra Wright mit elf Schüssen ermordet. Im Jahr 1990 hat er seinen Mitgefangenen Joseph Handspike in seiner Zelle zu Tode geprügelt. Für das erste Verbrechen bekam er lebenslänglich. Für das zweite wurde er zum Tode verurteilt.
Georgia hat seit 1976 insgesamt 52 Menschen hingerichtet. Der konservative Bundesstaat im Süden steht damit an siebter Stelle der hinrichtenden Staaten. Anführer der Liste ist Texas mit 483 Hinrichtungen. In der vergangenen Woche ist in Texas ein Mann hingerichtet worden. Texas benutzte für die Spritze, die Yokamon Hearn tötete, das Mittel Pentobarbital.