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Archiv-Artikel

Braucht die Deutsche Bahn mehr Konkurrenz?Ja

MONOPOL Die Bahn steht für sichere öffentliche Mobilität aber auch für hohe Preise und Wartezeiten. Viele halten ihre Privilegien für ungerecht

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Peter Ramsauer, 58, CSU, Bundesminister für Verkehr, Bau, Stadtentwicklung

Kein anderes Land hat ein solch dichtes Schienennetz und derart gute Bahnverbindungen in alle Städte und Regionen. Damit wir mobil bleiben, mehr Güter auf die Schiene bringen können, investieren wir in dieser Legislatur über eine Milliarde Euro mehr in die Infrastruktur als bisherige Regierungen. Damit werden Bahnhöfe saniert und wichtige Strecken wie die Rheintalbahn ausgebaut. Die Deutsche Bahn ist ein erfolgreiches Unternehmen, die Privatisierung seit 1994 ein Erfolg. Wichtig für weitere Entwicklung ist auch der Wettbewerb. Die DB hat bereits etwa 350 Konkurrenten. Dass sie im Wettbewerb bestehen kann, beweist sie im In- und Ausland. Sie muss die Konkurrenz also nicht fürchten. Diese gibt Impulse für Weiterentwicklung, Innovationen und damit mehr Qualität. Davon haben am Ende alle etwas – die Bahn und die Kunden.

Anton Hofreiter, 42, Grüne, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verkehr

Verspätungen, Preiserhöhungen und undurchsichtige Geschäfte prägen für viele Bürger das Bild der Deutschen Bahn. Das wird sich nicht ändern, solange sie Monopolist auf der Schiene ist. Es ist höchste Eisenbahn für faire Wettbewerbsbedingungen. Dieser Wettbewerb schafft faire Fahrpreise, pünktliche Verbindungen und Fahrkomfort. Nur so lassen sich Autofahrer zum Umsteigen animieren. Deshalb benötigen wir auch eine Liberalisierung des Fernbusverkehrs. Der Fernbus ist weniger Konkurrenz zur Bahn als zum Auto und somit ein Baustein einer klimaverträglichen Verkehrswende. Diese darf aber nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen.

Barbara-Birgit Pirch, 46, bietet mit Rail4you Loks für den Güterverkehr an

Im Eisenbahnverkehr ist ein neues Miteinander nötig, vor allem im Güterbereich. Denn bisher spüren private Anbieter, auf Nischentransporte spezialisiert, mitunter die harte Linie der Deutschen Bahn als „Platzhirsch“. Sie verfügt über beste Infrastruktur und Fachpersonal für jeden Bereich. Dieses sollte sie den Privatunternehmen noch stärker so zur Verfügung stellen, dass die Vorteile des Gesamtsystems Eisenbahn gegenüber der Straße greifen können. Denn: Die wahre Konkurrenz im Güterverkehr fährt auf Asphalt.

Claus Weselsky, 53, Vorsitzender Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer

Der Wettbewerb tut dem Verkehr auf der Schiene gut. Seit der Privatisierung der Deutschen Bahn 1994 hat der Personenverkehr um 30, der Güterverkehr um 60 Prozent zugenommen. Auch qualitativ hat sich vieles verbessert. Das Problem war bisher, dass der Wettbewerb über die Löhne des Personals ausgetragen wurde. Neue Eisenbahnverkehrsunternehmen nahmen der DB die Verkehre oft mit Niedriglöhnen ab. Anschließend forderte diese die Absenkung des Tarifniveaus im Konzern. Dies haben wir mit dem Flächentarifvertrag für Lokführer 2011 gelöst. Den Lokführern ist egal, wessen Züge sie fahren, wenn die Konditionen stimmen. Wichtig ist ein gutes Angebot – auch durch Wettbewerb –, sonst bleibt die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene aus.

Nein

Jeremy Corbyn, 63, Verkehrsexperte für die Labour Partei im britischen Parlament

Die konservative Regierung hat in Großbritannien 1993 das komplette Bahnsystem privatisiert. Der private Konzern Railtrack organisierte die Infrastruktur, verschiedene Anbieter den Schienenverkehr selbst. Aus dieser Struktur ergaben sich große Profite, aber auch ernsthafte Sicherheitsprobleme. Im Jahr 2000 entgleiste in Hatfield etwa ein Personenzug, weil die Strecke in exorbitant schlechtem Zustand war: Railtrack hatte sie jahrelang vernachlässigt. Labour holte danach Railtrack zurück in Staatsbesitz. Das alles war sehr teuer. Ganz Europa bräuchte ein integriertes öffentliches Transportsystem, das auch über Ländergrenzen funktioniert. Das können Private mit kurzfristigen Gewinnzielen nicht leisten.

Sabine Leidig, 50, verkehrspolitische Sprecherin der Partei Die Linke

Bei jedem neuen privaten Zug wird gejubelt: Endlich gebe es „belebenden Wettbewerb“. Wenn ich dann im Verkehrsausschuss meinen KollegInnen der anderen Parteien die vier Fragen stelle – Waren Sie schon mal in Großbritannien mit dem Zug unterwegs – bei doppelt so hohen Bahnpreisen und einem organisierten Fahrplan-Chaos? Wie erklären Sie, dass in 180 Jahren Eisenbahngeschichte immer integrierte Bahnen, Netz und Betrieb als Einheit, die besonders erfolgreichen waren: Preußen, Japan, Karlsruhe, Usedom? Warum bloß gilt die Schweizer Eisenbahn als Vorbild: öffentlich, integriert, serviceorientiert, pünktlich auch bei minus 25 Grad Celsius in 1.000 Metern Höhe? Meint „Wettbewerb“ nicht vor allem Wettbewerb beim Lohndumping? – dann bekomme ich als Linke rein ideologische Antworten.

Till Reiners, 27, Poetry Slamer und Kabarettist, ist Besitzer einer Bahncard 100

Ich mag die Bahn: Sie kommt meistens pünktlich und ich mag sogar den Kaffee. Ich wünsche mir, dass mehr Leute mit ihr fahren. Insofern ist es schön, wenn die Preise sinken, weil private Unternehmen mitmischen. Das ist aber zu kurz gedacht. Denn ich glaube nicht an den findigen Investor, der darauf setzt, zwischen Oeckenbruch und Neidbornscheid täglich 27 Menschen zu transportieren. Während also die Menschen zwischen Hamburg und Köln billig mit der privaten Bahn fahren, müssen alle dafür bezahlen, dass weiterhin Leute aus Neidbornscheid mehr sehen als nur Kühe.

Werner Reh, 59, Leiter Verkehrspolitik Bund für Umwelt und Naturschutz

Konkurrenz belebt nicht automatisch das Bahngeschäft. Einnahmen auf ertragreichen Strecken müssen Angebote in der Fläche mitfinanzieren. Auch für die Umwelt ist es nicht unbedingt von Vorteil, wenn zusätzlich private Anbieter auf den Verbindungen unterwegs sind. Das vermehrte Zulassen von Fernbussen als Konkurrenten zu Bahnverbindungen ist ebenfalls ökologisch bedenklich. Deutlich billiger sind sie nur, wenn ihnen die Autobahnmaut erlassen wird. Die Politik muss für eine moderne Bahn sorgen: mit effizienten Investitionen, kundenfreundlichen Tarifen und ohne jede Diskriminierung von Wettbewerbern.