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Archiv-Artikel

Ariane soll allein fliegen lernen

Das Bremer Raumfahrt-Zentrum EADS hat einen neuen Kopf – den Holländer Evert Dudok. Der hat jede Menge Sorgen übernommen, was die notwendige Finanzierung durch den Bundeshaushalt angeht. Noch ist die Zukunft von 120 Bremer Raumfahrt-Spezialisten ungesichert

Von kawe

Bremen taz ■ Der 46-jährige Niederländer Evert Dudok hat am 1. Juli keinen leichten Job übernommen. Als Nachfolger des mit 58 Jahren in den Ruhestand verabschiedeten Josef Kind muss er die Kostenstruktur der EADS-Tochter „SPACE Transportation“ durchforsten. 1,2 Milliarden Euro Umsatz macht das Unternehmen mit seinen 4.000 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten in Frankreich und Deutschland, Stammsitz ist Bremen.

Zu der EADS-Tochter gehört die Trägerrakete M51 für die französischen Atomsprengköpfe, aber dieser Teil findet in Frankreich streng abgeschirmt von neugierigen ausländischen Augen statt. Auch Dudok hat da keinen Zutritt. Das populärste Produkt der EADS Space ist die Trägerrakete Ariane, an der die Bremer EADS-Ingenieure großen Anteil haben. Nur: Die Kosten für die Produktion liegen derzeit 20 Prozent über dem Preis, den man dafür auf dem Weltmarkt erzielen kann, berichtete Dudok bei seinem ersten Journalistengespräch. Sein Auftrag daher: Das „nachhaltige Überleben des Ariane-Systems“ sichern.

Derzeit hilft das Forschungsministerium mit 36 Millionen Euro pro Jahr beim Verkauf der Ariane. Das wirtschaftliche Problem der Ariane ist nicht nur der verunglückte erste Start im Jahre 2002, sondern ganz aktuell auch der Dollarkurs. Derzeit liegt der bei 1,30 im Verhältnis zum Euro – in drei Jahren soll die Ariane „marktfähig“ sein, auch wenn der Dollar bis 1,40 fällt, formuliert Dudok sein Ziel.

Das zweite Problem: Das für die Subventionierung der Ariane ausgegebene Geld – fünfmal 36 Millionen Euro auf deutscher Seite – fehlt für andere Entwicklungsprojekte, und wenn dafür nicht Lösungen gefunden werden, sind 120 Stellen in den Bremer Entwicklungsabteilungen nicht mehr finanzierbar. In Frankreich werden schwierige Phasen der Raumfahrt-Industrie aus nationalen Gründen mit militärischen Projekten überbrückt – dieser Ausweg besteht in Deutschland nicht.

Problem Nummer drei für die EADS Space Transportation ist der amerikanische Space Shuttle. Das europäische Weltraumlabor Columbus ist in Bremen fertig gebaut und getestet worden, es hat 715 Millionen Euro gekostet. Columbus kann aber nur mit dem Shuttle zur Raumstation ISS transportiert werden. Der erste neue Shuttle-Flug nach dem Unfall vor zwei Jahren ist nun für den 26. Juli geplant. „Wir sind angewiesen auf die Columbus“, sagt Dudok. Mit dem Flug Nummer 9 soll Columbus Anfang 2007 zur ISS kommen – wenn vorher alles glatt läuft. Mit dem Flug Nummer 9 soll dann auch der deutsche Astronaut Thomas Reiter fliegen, im Gepäck wird er auch ein kleines „Forschungsgewächshaus“ haben. Die USA wollen irgendwann einmal eine feste Station auf dem Mond einrichten – ohne eigene Gewächshäuser können da aber Astronauten nicht über längere Zeit versorgt werden.

Ist bemannte Raumfahrt notwendig? Dudok ist kein PR-Mann, der auf diese Frage Plastik-Sätze abspult. Über den Nutzen der unbemannten Raumfahrt kann er viel erklären, die Frage nach dem Sinn der bemannten Raumfahrt? „Eine philosophische Frage“, sagt er nachdenklich. Auf den Tag genau vor 36 Jahren betrat der erste Mensch den Mond. Heute sei der Mond für die USA nur noch eine Zwischenstation auf dem Weg zum Mars. kawe