Frische linke Schnipsel

Gerade abgedreht: die neue Ausgabe des Video-Magazins „ak-kraak“. Was einst reiner Politaktivismus war, übt sich heute schon mal in Selbstironie

Auch ak-kraak-Leute wurden auf Demos „Kameramann Arschloch“ gerufen

VON PETER NOWAK

Langsam steigt die Frau die kleine Treppe zum See hinunter und blickt in die untergehende Sonne, die sich im Wasser spiegelt. Bedächtig und in langsamen Bildern entwickelt auch der Film ihr Schicksal. Ein Nazi-Ehepaar adoptierte sie als Kleinkind, ihre Mutter war im KZ ermordet worden, nachdem ein Gericht sie als „Asoziale“ diffamiert hatte. Nach dem Krieg kämpfte die Tochter jahrzehntelang um die Anerkennung ihrer Mutter als Nazi-Opfer. Dass der Begriff „asozial“ schon wieder zum Alltagsvokabular gehört, damit kann sie sich nicht abfinden.

„Die Akte meiner Mutter“ heißt das beeindruckende Feature, es ist Teil der neuesten Ausgabe von „ak-kraak“. Hinter dem ungewöhnlichen Namen des Videomagazins verbirgt sich ein linkes Medienkollektiv – „ak“ steht für „Aktuelle Kamera“, die Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, „kraak“ kommt von „kraaken“ – dem holländischen Wort für das, was Hausbesetzer tun. Beides verweist auf die Anfänge der Gruppe in den Hochzeiten der Ostberliner BesetzerInnenbewegung. Nach mehr als zwei Jahren Pause macht die aktuelle Folge der ak-kraak-Videocollage – die 24. – deutlich, wie sehr sich die Arbeit der FilmemacherInnen verändert hat.

Im kurzen Sommer der Anarchie zu Wendezeiten war es das Anliegen von ak-kraak, politische Ereignisse möglichst authentisch und schnell in der Szene zu verbreiten. In erster Linie ging es dabei um die Message, erst danach um die künstlerische Verarbeitung. Dabei begegnete die politische Szene den AmateurfilmerInnen auch mit Misstrauen: „Der Schlachtruf ‚Kameramann Arschloch‘ wurde auch uns aus Demos entgegengerufen“, erinnert sich ein ak-kraaker der ersten Stunde.

15 Jahre später werden auf manchen Demonstrationen mehr Kameras als Transparente gehalten, die meisten Aktionen kann man schon Stunden später als Videostream aus dem Internet laden. Dass die Leute von ak-kraak PionierInnen des Videoaktivismus waren, war in der Anfangszeit keineswegs absehbar. „Damals waren die Vorführungen in diversen Kneipen in besetzten Häusern immer ein Abenteuer. Manchmal streikten die Geräte, oder es gab Alarm, weil Polizei aufgefahren war oder Neonazis in der Nähe gesichtet wurden“, erinnert sich der kraak-Veteran.

Ganz vorbei sind diese wilden Zeiten auch heute noch nicht, das belegt die neue ak-kraak-Folge. Eine bundesweite Aktion zum Erhalt von Wagenburgen in Hamburg und die Räumung des Berliner Hausprojekts Yorck 59 nehmen breiten Raum ein. Aber selbst diese aktivistischen Schnipsel unterscheiden sich von den Beiträgen aus der Pionierzeit. Zwar werden auch heute Polizeiübergriffe akribisch dokumentiert. Doch der Kurzfilm zur Yorckstraße wird mit einer fiktiven Szene eingeleitet, in der sich ein Polizist vor einer Psychologin ausweint, weil er wegen seiner Beteiligung an der Räumung in eine Sinnkrise geraten ist.

Eine Perle absurder Filmkunst ist der Beitrag über den schwullesbischen CSD im bayerischen Wallfahrtsort Altötting. Was zunächst nach bloßer Denunziation bigotter Marienverehrung aussieht, bekommt plötzlich einen selbstironischen Touch, wenn Männer in bayerischer Tracht auftreten und ein älterer Passant belustigt kommentiert: „Das sind keine Bauern, das sind Schwule aus der Stadt.“

Ob das Publikum auf die 25. Folge wieder zwei Jahre warten muss, will Kirsten Wagenschein von ak-kraak nicht verraten. Die aktuelle, 80-minütige Ausgabe kann man jedenfalls problemlos öfter ansehen, ohne sich zu langweilen.

Nächste Vorführung: 26. Juli, 20 Uhr, Villa Felix, Schreinerstraße 47. Als DVD oder VHS kann der Film für 12,50 € über akkraak@riseup.net bestellt werden. Mehr Informationen gibt es auf http://akkraak.squat.net/.