: Aleksandra wurde nur zwölf Jahre alt
Der Film „Srbenka“ dokumentiert eindrucksvoll die Produktion eines in Kroatien umstrittenen Theaterstücks
Von Katharina Granzin
Am 7. Dezember 1991 wurde in der Nähe von Zagreb die zwölfjährige Aleksandra Zec zusammen mit ihrer Mutter Marija von kroatischen Paramilitärs ermordet. Ihr Vater Mihajlo war kurz zuvor erschossen worden. Weil die Familie aus Serbien stammte. Die Täter wurden schnell gefasst, aber in einem hoch umstrittenen Prozess freigesprochen.
In seinem Dokumentarfilm „Srbenka“ begleitet Regisseur Nebojša Slijepčević die Produktion eines Theaterstücks von Oliver Frljić, in dem die hochemotionale Konfliktlage rund um den Fall Zec und die immer noch schwelenden gesellschaftlichen Rassismen thematisiert werden. Frljić verlangt seinen DarstellerInnen viel ab, lässt sie nicht nur die Geschehnisse um die Morde hochdramatisch nachagieren, sondern auch ihre eigenen Monologe zum Geschehen entwickeln, wobei sie auch gezwungen werden, sich in die Psyche der Gegenseite – jener Menschen, die zur Premiere draußen vor dem Theater gegen das Stück demonstrieren werden – einzufühlen: Warum macht denn niemand ein Theaterstück über die vielen ermordeten kroatischen Kinder? („Das würde ich ja machen“, sagt Frljić, „aber dann in Belgrad.“) Eine Gruppe von zwölfjährigen Mädchen ergänzt das Ensemble; sie werden im Stück von der Darstellerin der Aleksandra zu ihrem Leben befragt.
Nebojša Slijepčević filmt den Prozess der Stückentstehung nicht einfach ab, sondern baut seinen Film als eine Abfolge lebender Tableaus, die nur einen kleinen Ausschnitt des Gesamtgeschehens zeigen. Jede einzelne Kameraeinstellung ist fix. Das ist zunächst durchaus etwas irritierend, zumal die Tonspur oft etwas anderes erzählt, als im Bild zu sehen ist.
Wird die Szene geprobt, in der Aleksandra und ihre Mutter um ihr Leben flehen, während ihre Mörder sich gegenseitig anschreien, uneins, ob sie beide ermorden sollen oder nicht, ist nichts von dem verstörenden Geschehen zu sehen. Denn die Kamera fokussiert die Gruppe der jungen Mädchen und fängt ihre Reaktionen ein: Eine hat vor Anspannung die Hände vors Gesicht genommen, während ihre Sitznachbarin lässig in ihrem Sitz hängt.
„Srbenka“, der Film ebenso wie das Theaterstück, geht zwar vom lange zurückliegenden Zec-Mord aus, handelt aber wohl vor allem davon, was es heute, knapp drei Jahrzehnte später bedeutet, in Kroatien serbisch zu sein. Die Anfangseinstellung zeigt eine junge Frau, die ganz allein im leeren Theater sitzt. Danach erzählt sie im Off-Text, wie sie in der Schule ihrer serbischen Herkunft wegen gemobbt wurde.
Und eines der zwölfjährigen Mädchen erklärt zwar, nach ihrer „Nationalität“ befragt, sie sei Serbin, ist aber unsicher, ob sie es in Ordnung fände, das später öffentlich auf der Bühne zu sagen. Regisseur Frljić beruhigt sie: Niemand werde fragen und niemand müsse auf der Bühne die Wahrheit über sich selbst sagen. Doch dann kommt die Frage bei der Premiere doch. Und wir sehen die junge Frau vom Anfang des Films, wie sie im Publikum sitzt und gespannt auf die Antwort wartet. Die kommt sehr lange nicht.
„Srbenka“. Regie: Nebojša Slijepčević. Kroatien 2018, 72 Min.
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