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Archiv-Artikel

„Man muss den Ton treffen“

Übersetzer lesen zum Hieronymustag

Von PS
Annette Kopetzki, 55

■ Promvierte über Probleme literarischen Übersetzens und überträgt gehobene Unterhaltungsliteratur aus dem Italienischen ins Deutsche.Foto: privat

taz: Frau Kopetzki, wieso brauchen Übersetzer einen Schutzpatron? Aus Aberglauben?

Annette Kopetzki: Nein. Hieronymus war sehr sprachbegabt. Er hat im Jahr 382 die Bibel ins Lateinische übersetzt und als Erster die altgriechischen und hebräischen Urtexte herangezogen. Außerdem verbindet uns mit Hieronymus die Einsamkeit.

Ist das Alleinsein das Hauptproblem heutiger Übersetzer?

Im Prinzip ja, aber wir sind inzwischen intern recht gut vernetzt. Das hat die Qualität unserer Recherche enorm verbessert.

Reicht dafür nicht ein Lexikon?

Nein. Der sizilianische Dialekt von Ottavio Cappellanis Mafia-Komödie „Habe die Ehre“, aus der ich heute lese, findet sich nur in speziellen Internet-Lexika. Und einige Ausdrücke des Mafia-Jargons sind gar nicht übersetzbar.

Welches ist das Hauptproblem des Übersetzers?

Den Ton zu treffen. Das Sprachschöpferische abzubilden. Manche Ausdrücke sind aber derart mit der Kultur des Autors verwachsen, dass ich nur einen Kompromiss versuchen kann. Manchmal brüte ich tagelang über einem Wort.

Wie wird diese Tortur bezahlt?

Pro Taschenbuch-Seite zehn bis 17 Euro, pro Hardcover-Seite 17 bis 20. Ein Übersetzer verdient im Schnitt 1.000 Euro netto.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Verlagslektoren?

Ambivalent. Einige neigen dazu, Texte zu glätten, weil sie den Lesern die Sprachexperimente des Autors nicht zumuten wollen.

INTERVIEW: PS

20 Uhr, Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Straße 79