berliner szenen
: Das Beste, Schönste, Richtige

Die Freundin will ein Haus kaufen, in der Nähe von Halle, auf dem Land, bloß weg aus Berlin. Sie will einen Garten haben und Natur. Sie ist seit einem Jahr Mutter. Vor wenigen Jahren radelte ich noch mit ihr durch die Berliner Nacht und quiekte vor Freude über die allgegenwärtige verranzte Berauschtheit. „Weißt du“, fragt sie, „wie hoch das Anfangsgebot ist?“ Weiß ich nicht. „Rate.“

„Dreihunderttausend“, sage ich. Ich habe noch nie ein Haus gekauft, weder in Berlin noch in Sachsen. „Kalt“, sagt die Freundin, als spielten wir Topfschlagen, „Hunderttausend.“

„Immer noch kalt“, lacht die Freundin. Ich mag das Spiel nicht. Komme mir vor wie in der Schule, wenn ein*e Lehrer*in sagte: „Nennt einfach eine Zahl, irgendeine.“ Irgendeine, sagten sie. Aber angesehen wie Koboldmakis haben sie dich trotzdem, wenn du, wie gefordert, irgendeine, von der faktischen Zahl weit entfernte Ziffer in den Raum geschleudert hattest. „5.000 Euro“, sagt die Freundin. 5.000 Euro? Häuser kosten keine 5.000 Euro. „Muss aber auch grundsaniert werden. Aber trotzdem: krass, oder?“ Das Haus, erklärt die Freundin, werde zwangsversteigert. Gerade gehöre es der Stadt Sachsen. „Und dann hast du für 5.000 Euro einfach mal fast viertausend Quadratmeter Grundstück. Im Nirgendwo?“, frage ich. Die Freundin bestätigt. „Aber mit dem Auto bis Halle ist es nur eine halbe Stunde.“ Und für die Tochter, sagt die Freundin, sei es wunderschön. Wie immer, wenn Leute mir erzählen, was für ihre kleinen Kinder das Beste, Schönste, das Richtige sei, denke ich: Woher weißt du das? Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Begann im zarten Alter von fünfundzwanzig, mich für die Wiesen und Wälder in meiner Umgebung zu interessieren. Tief und frei atmete ich zum ersten Mal mit achtzehn in Berlin. Marielle Kreienborg