: Offenes Bekenntnis zu einem Leben in Sünde
Unter den Teilnehmern des Weltjugendtages (16. bis 21. August) in Köln werden auch zehntausende Lesben und Schwule sein. Die Organisatoren des katholischen Massenevents betrachten deren geplante Aktionen mit Argwohn
Köln taz ■ Wenn Mitte August womöglich bis zu einer Million junger Katholiken zum Weltjugendtag (WJT) nach Köln strömen, werden unter ihnen auch viele Homosexuelle sein. Das Kölner Beratungszentrum für Lesben und Schwule, Rubicon, und die evangelische AntoniterCityKirche bieten deshalb ein offenes Gesprächs- und Beratungsangebot in den Räumen der Antoniter Kirche für diese Jugendlichen an. „Die wollen wir nicht im Regen stehen lassen“, erklärt Stefan Meschig vom Rubicon. Denn viele von ihnen wollten einfach mal Selbstbewusstsein im liberalen Köln tanken.
Die beiden Kooperationspartner rechnen mit mindestens 50.000 lesbischen und schwulen Jugendlichen. „Die Zahlen sind eine vorsichtige Schätzung“, betont Rubicon-Leiter Stefan Meschig. Selbst Vertreter der Katholischen Kirche teilen nach den Erfahrungen früherer WJTs in Rom und Toronto diese inoffiziellen Schätzungen. Doch offiziell ist das Thema Homosexualität bei den Kölner WJT-Organisatoren ein Tabu. Während des sechstägigen Events beschäftigt sich keine einzige Veranstaltung mit Lesben und Schwulen. Verwunderlich ist das nicht. Schließlich ist das Ausleben dieser sexuellen Orientierung nach Auffassung der römisch-katholischen Amtskirche eine Sünde. „Wir heißen alle herzlich willkommen“, schreibt auf Nachfrage der taz der Generalsekretär des Kölner WJT, Heiner Koch in einer dürren Stellungnahme. „Dies gilt auch für homosexuell veranlagte Menschen, gegen deren Diskriminierung die Kirche klar Stellung bezogen hat.“
Tatsächlich heißt es im Katechismus der katholischen Kirche, dass homosexuellen Menschen mit Achtung begegnet werden soll. „Aber viele andere Aussagen der Kirche sind diskriminierend“, weiß Kirchenexperte und langjähriger Schwulen-Aktivist Karl-Heinz Scherer. Erst im Mai hatte Papst Benedikt XVI. für Empörung gesorgt, als er die Homo-Ehe als „anarchische Freiheit, die sich fälschlicherweise als wahre Befreiung des Menschen darstellt“ verurteilte.
So wird es während des WJT neben dem speziellen Beratungsangebot für Jugendliche kirchenkritische Aktionen der Homos geben. Der Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) e.V. veranstaltet gemeinsam mit der ökumenischen Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ e.V. eine Podiumsdiskussion zum Thema „Lesben und Schwule als Teil der Schöpfungsordnung“. Weitere Proteste sind in Planung. „Wir verfolgen mit unseren Aktionen einen konstruktiven aber kritischen Ansatz“, erklärt Markus Danuser vom Vorstand des KLuST. „Heute reicht es nicht mehr aus, die Amtskirche mit Polemik anzuprangern.“
Scheinbar radikaler gibt sich da das „KetzerKollektiv“. Das Bündnis aus unterschiedlichen schwullesbischen, linken und Frauengruppen will nicht tatenlos zusehen. Es lädt zum feierlichen Kirchenaustritt vor das Kölner Amtsgericht und protestiert damit gegen die Positionen der Kirche zu Frauen, Homosexualität, Verhütung und Abtreibung.
Die WJT-Verantwortlichen beobachten die geplanten Aktionen der Lesben und Schwulen mit Argwohn. Prophylaktisch hebt Generalsekretär Heiner Koch schon mal warnend den Zeigefinger. Keine Interessengruppe, „erst recht, wenn sie sich gegen kirchliche Lehräußerungen positioniert“, solle den Weltjugendtag für ihre Ansichten und Ziele instrumentalisieren. Ein wohl eher hilfloser Appell. Der Anblick von Regenbogenfahnen wird Benedikt XVI. während seines Aufenthalts in der Homo-Hochburg Köln trotz aller Vorsichtsmaßnahmen der Organisatoren nicht erspart bleiben. THOMAS SPOLERT