Ohne brennende Deutschlandfahnen

In Berlin durfte wieder gefeiert werden: Zum Tag der Clubkultur öffneten Locations wie der Tresor und das About Blank ihre Türen

Von Andreas Hartmann

Die Infektionszahlen steigen wieder, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gelten als Coronarisikogebiete, ein Alkoholverbot wird diskutiert, doch der Tag der Clubkultur am 3. Oktober fand statt. Nein, das stieß nicht überall auf Begeisterung. Muss das denn sein, ausgerechnet jetzt die Feierläden zu öffnen, wenn auch nur für einen Tag?

Ja, musste sein. Und die Berliner Clubcommission als Hauptveranstalter des Events machte zusammen mit Ober-Raver Klaus Lederer, der beruflich Berlins Kultursenator ist, außerdem klar, dass es bei diesem auch weniger um Party gehe, sondern darum zu zeigen: Wir Clubs leben noch. Und wir können auch mehr als nur Exzess. Wir integrieren Minderheiten und legen Wert auf Diversität. Deswegen fehlen wir gerade auch so sehr als sozialer Kitt in dieser Stadt. Und vor allem können wir sehr wohl verantwortungsvoll Veranstaltungen durchführen, bei denen niemand denken muss, hier gehe es zu wie einst in Ischgl.

In den Läden, die am Tag der Clubkultur teilnahmen und die für ihr kulturelles und soziales Engagement im Rahmen des Events ausgezeichnet wurden, fanden vor allem Performances und Diskussionsrunden statt. Im Tresor gab es ein bestuhltes Klassikkonzert, in der Kreuzberger Location Bulbul eine Drag-Show.

Die Clubs ließen sich echt etwas einfallen. Zu jeder Veranstaltung wurden geradezu preisverdächtige Hygienekonzepte vorgelegt. Im Friedrichshainer About Blank, wo man am Tag der Deutschen Einheit zu einer „antinationalen Matinee zur Vergänglichkeit von Clubkultur“ lud, sah das dann so aus, dass man Tickets nur im Vorverkauf erwerben konnte. Die Räumlichkeiten des Clubs blieben geschlossen.

Stattdessen ging es direkt in den Garten an die frische Luft, wo sich die Aerosole besser verteilen als drinnen. Strenger Check am Eingang: Maske auf? Namen und Adresse schon aufgeschrieben? Dann bekam man einen Plan in die Hand gedrückt, auf dem die Tische im Garten verzeichnet waren – und einen Platz zugewiesen.

Während eine DJ auflegte, verteilte sich immer wieder Trockeneis auf dem leeren Open-Air-Dancefloor. Gelegentlich verirrte sich mal für einen kurzen Moment ein Tänzer im Nebel, machte ein paar ungelenke Bewegungen und verkrümelte sich dann schnell wieder auf seinen Platz. Der Garten war voll mit Tischen, an jedem saßen maximal sechs Personen. Es war ein schöner Tag, das lockte viele raus in die Laube des Clubs.

Dessen Coronaspezialität ist seit ein paar Monaten Sekt. Was wohl so viel heißen soll wie: So ganz lassen wir uns das Feiern eben nicht verbieten. Und tatsächlich standen die Sektflaschen massenweise auf den Tischen. Das angedachte Alkoholverbot, diesen Eindruck bekam man hier, würde das About Blank besonders hart treffen. Von „Deutschland canceln“, wie es der Laden für seine Veranstaltung versprochen hatte, war eher wenig zu spüren. Man saß rum, trank Schampus und die DJs legten Techno auf.

Deutschlandfahnen brannten hier keine. Und um 21 Uhr war auch schon wieder alles vorbei. Die Initiatoren des Tages der Clubkultur könnten sich gut vorstellen, dass es diesen Event nun regelmäßig geben könnte, gaben sie bekannt. Allerdings erhoffen sie sich für ein nächstes Mal natürlich andere Grundvoraussetzungen als in diesem Jahr.