wortwechsel
: Krankenhäuser, Asylplan, Klimabewegung

Radikale Bewertung des Gesundheitssystems von Ökonom Reinhard Busse, EU-Asylplan entsetzt Leser:innen, Klimabewegung will immer noch den Kapitalismus überwinden

Wenigstens den Kleinsten helfen Foto: ap

Abschreckung

„Das Problem heißt Lager“,

taz vom 15. 9. 20

Was bezweckt Griechenland eigentlich mit seiner Haltung, auch weiterhin die Geflüchteten in Lagern festzuhalten, was zumindest nach einem Urteil Anfang des Jahres nicht rechtmäßig ist? Selbst anerkannte Geflüchtete, die Moria verlassen konnten, erhielten keinerlei Unterstützung und mussten in Athen auf der Straße leben. Es besteht in Griechenland also keine Flüchtlingspolitik, sondern lediglich ein Szenario der Abschreckung, verstärkt durch Übergriffe auf sie durch Polizei und Rechtsextreme. Das Beharren auf einer „europäischen Lösung“ zeigt lediglich, dass niemand wirklich an einer Lösung interessiert ist.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Planänderung

„Neuer Plan für Asyl in Europa“,

taz vom 24. 9. 20

So richtig es ist, dass Europa unsere Interessen gegenüber den großen Nationalstaaten vertritt, von Werten kann nicht mehr gesprochen werden. Im vorzivilisierten Griechenland, also vor dreitausend Jahren, wurde das kurzfristige Gastrecht als notwendige Stufe menschlichen Zusammenlebens erprobt. Wollen wir das infrage stellen? Was für eine Zukunft wäre das? Daher teilt die EU in Willige und Zögernde auf und korrigiert dabei die bisherigen Fehlentwicklungen.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Die Früchte ernten

„Impfstoff gegen Extremismus“,

taz vom 2. 9. 20

Über diesen Artikel habe ich mich richtig gefreut. Das Fach Politik einzuführen ist so sinnvoll wie wirkungsvoll. Dass Jugendliche zu kritischen Bürger erzogen und auf den aktuellen Stand der Politik und des Wesens der Demokratie gebracht werden, wird ihnen und der gesamten Gesellschaft in jeder Phase ihres Lebens zugutekommen. Gerade wenn es zu Hause unpolitisch zugeht, ist es so wichtig, dass sie den Wert der Demokratie hochhalten und lernen, wie die Spielregeln funktionieren. Eine praktische Übung in dieser Beziehung ist auch die Beteiligung und Verantwortung für Projekte wie Klimakonferenz, Nachhaltigkeit oder Schülerinnen-Haushalt mit eigenständigen Entscheidungen über Anschaffungen für die Schule. Da macht Schule doch wieder Spaß.

Demokratie muss gelebt, wertgeschätzt und beschützt werden. Damit kann man nicht früh genug anfangen. Ich bin sicher, dass dieses Projekt gute Früchte trägt.

Cornelia Römhild, Hamburg

Sinnvolle Maßnahmen

„Bayern macht Ernst“,

taz vom 22. 9. 20

Ich finde es einfach schade, wenn der Politik nichts anderes einfällt als eine überflüssige, weil unwirksame Maskenpflicht im Freien, um die steigende Zahl an Neuinfektionen zu verringern. Reiner Aktionismus, statt an besseren, aber teureren Maßnahmen zu arbeiten. In Spanien oder Frankreich gibt es diese Maskenpflicht im Freien schon, die Zahlen der täglichen Neuansteckungen sind trotzdem weiter im stetigen Anstieg. Eine sachliche kritische Debatte über die Sinnhaftigkeit dieser oder anderer Maßnahmen ist kaum möglich. Stattdessen gibt es nur die Extreme zwischen totaler Hysterie und absoluter Leugnung der Pandemie. Maskenpflicht: ja, aber wie alle Maßnahmen nur da, wo es erwiesenermaßen sinnvoll ist im Kampf gegen Corona. Es empfiehlt auch niemand Kondomnutzung bei der Selbstbefriedigung zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten.

Markus Meister, Mönchengladbach.

Marktradikal

„Wir müssen radikaler denken“,

taz vom 23. 9. 20

Anstatt den Herrn Busse zu zerreißen, gebt ihr dem neoliberalen Gewäsche Platz. Natürlich kann man alle Kliniken schließen. Dann spart man am meisten.

Jede Milliarde ist besser in den Krankenhäuser aufgehoben als bei der Lufthansa oder bei der Bundeswehr. Herr Busse ist ein Manager, ein Wirtschaftsmensch und kein Arzt. Aber er plaudert über Corona, als wäre er der „Duchbilcker“ und die anderen sind doof. Ich lache mich schief, wenn ich lese, dass das Pflegepersonal kündigt, weil zu wenig los wäre. Der Mann lebt in einer Traumwelt. Das einzige Radikale, was so Optimierer wie Herr Busse können, ist sparen bei den anderen. Der ist marktradikal. Mehr nicht.

Karl Hagen, Horb am Neckar

Gelungene Übernahme

„taz, die Klimazeitung“,

taz vom 25. 9. 20

Ein Lob für eure Übergabe der Freitagsausgabe an Engagierte: vielseitig, verschiedenste Gebiete des Engagement, von Energievesorgung über Kunst zu Bildung. Viele gute Analysen! Wobei ich oft denke, dass es der Analysen genug gibt und ich gern mehr von positiven Beispielen hören würde, die es in der besagten Ausgabe ja auch gibt: Sonnenschule in Thailand, Bürgerenergie in Deutschland, Briketts aus Schalen, Uganda und vieles mehr. Vielleicht könnte es auch mal einen Aufruf geben, auf mehr positive Beispiele aus dem eigenen Umfeld hinzuweisen. Zu viele negative Analysen deprimieren. Wir brauchen Inspiration.

Monika Dern, Grünberg

Gesundheitsökonomie

„Wir müssen radikaler denken“,

taz vom 23. 9. 20

Die Ausführungen des Gesundheitsökonomen Reinhard Busse sind für mich als Notarzt und Intensivmediziner nicht nachvollziehbar. Der Abbau von 57 Prozent der Krankenhauskapazität ist sicherlich kostensparend, führt aber zwingend zu einer Unterversorgung der Bevölkerung in der Breite. Menschen mit entsprechend hohen Einkommen müssen davor natürlich keine Angst haben. Auch in den USA sind Menschen mit ausreichender Finanzkraft ja zu jeder Zeit bestens versorgt. Busses Bemerkungen zur Coronapandemie, insbesondere seine Vorwürfe an die lombardischen Kliniken, verdrehen die Tatsachen: Den italienischen Mediziner*Innen war es schlicht nicht möglich, sich an Erfolgsrezepten aus Norwegen, Deutschland oder Dänemark zu orientieren, weil Italien als Erstes von der Welle getroffen wurde und somit wir in Deutschland von den italienischen Erfahrungen lernen konnten und nicht umgekehrt. Nicht mehr handlungsfähige Krankenhäuser gab es mitnichten nur in der Lombardei. Hilferufe verzweifelter Ärzt*Innen gab es sowohl aus Frankreich, Spanien, Südamerika und den USA.

Jens Michalek, Köln

Kapital und Klima

„taz, die Klimazeitung“,

taz vom 25. 9. 20

Nachdem ich die klima-taz vom Freitag gelesen habe, in der viele Artikel sich in Kapitalismuskritik üben und einen Systemwechsel fordern, hätte ich da mal eine Frage an diese kapitalismuskritischen Klimaschützer: Wie kommt es, dass überall auf der Welt, wo freie Wahlen stattfinden, die Wirtschaft kapitalistisch strukturiert ist (plus in Diktaturen wie China, die den Kapitalismus ohne bürgerliche Freiheiten von oben eingeführt haben)? Auch die soziale Marktwirtschaft, die in eine ökosoziale Marktwirtschaft transformiert werden muss, ist im Kern kapitalistisch und setzt auf freie Marktwirtschaft, die nur dort staatlich reguliert und eingeschränkt wird, wo es Marktversagen gibt. Das ökologische Marktversagen der Klimakrise muss daher regulatorisch und über Preissignale bekämpft werden. Die ökonomischen Instrumente für eine klimaneutrale Marktwirtschaft sind alle vorhanden, sie sind nur noch nicht ausreichend scharf gestellt. Soziale und technische Innovationen zur ltigung der Klimakrise gedeihen zudem auch nur in freien Gesellschaften. Staatlich gelenkte Wirtschaftsmodelle gibt es nur in politischen Systemen ohne freie Wahlen und weitere demokratische Freiheiten.

Felix Beutler, Berlin