: Polizeistaat abgelehnt
Australiens Regierung will Antiterrorgesetze überprüfen. Islamisten sollen in Sydney junge Muslime rekrutieren
SYDNEY taz ■ Die australische Zeitung Sun Herald berichtete am Sonntag, die islamische Gruppe Hisb ut-Tahrir habe in Sydney ein „Untergrund-Rekrutierungsprogramm“ unter muslimischen Jugendlichen begonnen. Die Gruppe beschreibe Selbstmordattentäter als „Märtyrer“ und verfolge „offen das Ziel der Zerstörung westlicher Ideale“. Am Freitag habe sich Hisb ut-Tahrir zum zweiten Mal in Sydney getroffen. Die britischen Behörden und Pakistans Geheimdienst würden Verbindungen zwischen der islamistischen Jugendorganisation und einem der vier Selbstmordattentäter von London untersuchen, schreibt die Zeitung weiter. Der 22-jährige Shehzar Tanweer war vor zwei Wochen in der britischen Hauptstadt ums Leben gekommen, als er eine Bombe zündete.
Der australische Sprecher von Hisb ut-Tahrir distanzierte sich von den Vorwürfen. „Wir verurteilen Gewalt als Mittel, um unsere Ziele zu erreichen“, so Wassim Doureihi. Es stimme aber, dass Hisb ut-Tahrir eine Konvertierung „der Welt zum Islam“ anstrebe. „Wir arbeiten nur mit politischen und intellektuellen Methoden“, meinte er. Der Dachverband der islamischen Konzile in Australien erklärte, die Gruppe nicht zu kennen. Ihr Präsident Ameer Ali versicherte, „jede Organisation, die sich für Gewalt ausspricht, zu melden“.
Justizminister Chris Ellison forderte die islamische Gemeinde Australiens am Sonntag auf, gegen radikale Prediger vorzugehen. Die Regierung hatte in den letzten Tagen signalisiert, die Gesetze zur Bekämpfung von Terrorismus neu zu bewerten. Laut Premier John Howard will Australien dem Beispiel Großbritanniens folgen und prüfen, ob Personen, die öffentlich terroristische Gewalt befürworten, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden und ihre Staatsbürgerschaft verlieren können.
Am Wochenende sprach sich der Premier für den verstärkten Einsatz von Überwachungskameras aus. Bei den Anschlägen in London hätten Videoaufnahmen rasch zur Identifizierung der Täter geführt. „Wir wollen aber keinen Polizeistaat schaffen“, so der Regierungschef.
Australien hatte vor einiger Zeit Gesetze eingeführt, die es erlauben, Personen ohne konkrete Begründung auf längere Zeit zu inhaftieren und die Häuser Verdächtiger zu stürmen, ohne dass diese ein Recht haben, sich in der Öffentlichkeit zu äußern.
Die meisten Experten sind der Überzeugung, dass ein terroristischer Anschlag in Australien nur noch eine Frage der Zeit ist. Canberras Unterstützung der USA im Irak und in Afghanistan habe das Land zu einem erklärten Ziel der Terrororganisation al-Qaida gemacht. URS WÄLTERLIN