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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Ich bin noch nicht tot: Wie man die Bankerkapitale mit Trick 17 beeindruckt

Von wegen rumstehen. Gelatscht bin ich am Wochenende, zwei Paar Schuhe hab ich zertanzt, die Arme sind bis zum Hals vollgestempelt mit Eintritts-Identifikationsmustern wie bei einem alten Seebär – die blaue Tinte wird mich tagelang daran erinnern, was war.

Wie machen das eigentlich Minderjährige, die sich heimlich in verbotenen Clubs herumdrücken, um zu früh schwanger zu werden und ihre Wachstumsphasen zu verlangsamen? Wie kriegen die die Stempel wieder herunter, bevor die Eltern am nächsten Tag Lunte riechen? Werde mal vor ein paar Gesamtschulen recherchieren.

Hirnlose Vergnügungen bestimmten die Stunden zwischen Freitag Sonnenuntergang und Sonntag Sonnenaufgang. Meinen Besuch aus der Bankerkapitale, der tagsüber tapfer durch zwei Modemessen gestapft war, peppte ich am Abend im Eschloraque mit Trick 17 wieder auf: Russisch Koks, Wodka mit einer in Zucker und Kaffeepulver gewendeten Zitronenscheibe. Auch genannt „Damengedeck“. Uiuiui, quietschte meine Freundin nach dem zweiten Doppelten, ich fühle mich wie ein kolumbianischer Bauer nach sieben Tagen Kokablattkauen! Komm mit, Mutti will was erleben!

Wir rannten ins schummerige Golden Gate und brachten der Tresenkraft dort ebenfalls Russisch Koks bei. Dann spielten wir Beruferaten, was nicht einfach ist, wenn alle StudentInnen sind und der Popkrach in den Ohren lodert. Noch später, im Bassy, mussten wir heiser gar nicht mehr reden, sondern konnten tanzen. Der DJ war angeblich erst 16 und hatte an der Plattensammlung seiner Eltern genascht. In den Tanzpausen guckten wir „Bullit“ und nach einer Weile verschwand mein Besuch in einer der kuscheligen Knutschkabinen – Teeniefeeling steckt an.

Samstag machten wir stumpf weiter mit der Wodkasause: Wir verließen eine der Modemessenpartys mit Nachlader und den grausligen Donots vorzeitig, weil es dort nur Bier gab, dessen Verkauf zwar einem guten Zweck diente, aber wieso kann man nicht auch Moskovskajageld spenden? Ein kontaktfreudiges Brandenburger Muckibudenmodel, in das meine Freundin beim Rausgehn rannte, fragte: Was macht’n ihr später noch? Abitur, sagte meine Freundin geistesgegenwärtig, und wir hauten schnell ab ins nbi, das in die Kulturbrauerei umgezogen ist und seitdem von Touristenhorden umspült wird wie ein Strandstein vom Meer.

Abgeranzt fand ich’s schöner, sagte unser alter Freund Karl, mit dem wir vorher reizende Geschichten über aus Versehen an falsche Adressen gesandte SMS-Nachrichten ausgetauscht hatten. Karl bekam eines Tages von seinem Kumpel die SMS: „wann ist mein schnucki wieder in berlin?“ „schnucki war gar nicht weg, möchte aber gern mal wieder mit dir bier trinken“, tippte Karl seinem Kumpel zurück, dessen Freundin Katja heißt und sich in der Handyadressliste genau über Karl befindet. Ich habe nur mal einem seit vielen Jahren nicht mehr kontaktierten ehemaligen Liebhaber „RE 4403???“ geschickt. Dabei ging es um eine Regionalbahn, in der ich jemanden treffen wollte, und mein alter, verständiger Freund schrieb zurück: „bin ich schwer von begriff oder hast du dich vertan?“

Wir hinterließen unser Russisch-Koks-Rezept und zogen weiter, weil der eine von Mittekill, der aussieht wie ein tschechischer oder slowakischer Fußballer, B-Jugend, nicht aufhörte, seine schönen Elektroschlager durch Gesang abzutakeln. Um halb sechs schrie ich: „Ich bin noch nicht tot!“, und schleppte meine Freundin in die vor Torschlussenergie dampfende Russendisko, um das passende Ambiente für das letzte Damengedeck zu haben. Am Sonntagmittag setzte ich sie dann lädiert und beeindruckt in den Zug zurück ins Bankerviertel. Sie hat sich noch nicht gemeldet. Aber ich weiß, dass sie wiederkommt.

JENNI ZYLKA