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Archiv-Artikel

„Im Graubereich“

Johannes Kreile, Justiziar des deutschen Filmproduzentenverbandes, über die Auswirkungen des aktuellen Schleichwerbeskandals auf ARD und ZDF

INTERVIEW HEIKO DILK

taz: Herr Kreile, die Bavaria Film, Hauptakteur im ARD-Schleichwerbeskandal, ist Mitglied des Bundesverbands Deutscher Fernsehproduzenten. Wie geht Ihr Verband mit schwarzen Schafen um?

Johannes Kreile: Unser Verband ist ja nicht dafür da, das wirtschaftliche oder ethische Verhalten unserer Mitglieder zu beurteilen. Wir sind ein Interessenverband und äußern uns insofern eher zu allgemeinen medienpolitischen Fragen.

WDR-Intendant Fritz Pleitgen hat der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, man stünde vor einem „riesigen Heuhaufen mit vielen Nadeln drin“. Kommt da noch mehr heraus?

Ich hoffe es nicht. Es gibt aber offenbar Firmen, die ganz bewusst Schleichwerbung betreiben oder im Graubereich arbeiten. Seriöse Firmen wissen in der Regel sehr genau, was zulässig ist und was nicht. Es gibt Richtlinien der Landesmedienanstalten, die das genau aufschlüsseln.

Die Abgrenzung zwischen erlaubten Produktbeistellungen und verbotener Schleichwerbung ist also eindeutig?

Laut Rundfunkstaatsvertrag liegt verbotene Schleichwerbung dann vor, wenn Waren, Marken, Dienstleistungen oder Firmen absichtlich zu Werbezwecken erwähnt werden. Es ist also finales Handeln erforderlich.

Aber das wird man ja häufig nicht nachweisen können.

Einfach ist es nur dann, wenn Geld fließt. Ansonsten muss man schauen, ob die Platzierung dramaturgisch gerechtfertigt ist, ob die Erwähnung oder Beistellung das reale Umfeld abbildet. Der Fall Bavaria ist aber nicht nur deswegen so bezeichnend, weil nachweislich Geld geflossen ist, sondern auch weil Drehbücher auf das Placement hin geschrieben wurden.

Gerichte haben ja auch schon Schleichwerbung angenommen, weil die Erwähnung von bestimmten Firmen oder Dienstleistungen über das dramaturgisch notwendige Maß hinaus gingen. Gibt es auch Beispiele, die noch nicht geklärt sind?

Das so genannte Image Placement ist so ein Fall. Das heißt, dass die gesamte Thematik eines Films nicht auf eine bestimmte Firma oder ein bestimmtes Produkt zugeschnitten wird, sondern das Gesamterscheinungsbild einer Branche thematisiert wird. Ob das verbotene Schleichwerbung darstellt, ist rechtlich noch nicht geklärt.

In der Vergangenheit wurde in erster Linie Schleichwerbung bei den Privatsendern moniert. Klappt die Aufsicht durch die Landesmedienanstalten da besser, als bei den internen Gremien der Öffentlich-Rechtlichen?

Die Privaten achten sehr genau darauf, dass Werbebotschaften in Programmen nicht zu dominant werden, weil diese sonst mit den Werbeblöcken kollidieren. Bei den Öffentlich-Rechtlichen hingegen stört sich zumindest nach 20.00 Uhr kein Werbekunde mehr an Placements, weil es keine Spotwerbung mehr gibt.

Sind strikte Werberichtlinien für die Privaten also unnötig, weil sie selbst das Maß an Placements möglichst gering halten, um ihre Werbekunden nicht zu verschrecken?

Wir haben uns schon anlässlich der Novellierung der EU-Fernsehrichtlinie dafür ausgesprochen, die Werberichtlinien fürs Privatfernsehen zu lockern. Unserer Ansicht nach wäre eine Freigabe in Ordnung, wenn der Zuschauer darüber informiert wird, welche Firma wofür Geld bezahlt hat.

Für ARD und ZDF kann das aber doch nicht das Ziel sein?

Da könnte ich mir, gerade durch den jetzigen Schleichwerbeskandal, durchaus vorstellen, dass es in die entgegengesetzte Richtung geht. Dass also ARD und ZDF in Zukunft gar keine Werbung mehr machen dürfen. Schließlich ist es auffällig, dass mit der Bavaria ausgerechnet eine Tochter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Skandal verwickelt ist. Das liegt sicher auch daran, dass ARD und ZDF zwar mit den Privaten um Werbekunden konkurrieren muss, durch die Werbezeitenbeschränkung aber nur eingeschränkte Möglichkeiten haben.

ARD und ZDF sagen aber, wenn sie keine Werbung machen dürfen, müssten die Gebühren viel höher sein als jetzt.

Unser Verband ist ja auch für eine Gebührenerhöhungen. Schließlich wird es, wenn nicht genügend Geld da ist, schwer für die Produzenten.

Das ist keine populäre Forderung.

Sie könnte aber populärer werden, wenn es eine konsequentere Trennung zwischen werbefinanziertem und gebührenfinanziertem Fernsehen gäbe.