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Elfenbeinküste: Rebellen greifen Städte an

Unbekannte Bewaffnete attackieren von der Regierung kontrollierte Landesteile. Oppositionskundgebungen verboten

BERLIN taz ■ In der Elfenbeinküste wächst erneut die Sorge vor einem neuen Krieg. Eine Serie mysteriöser Angriffe unbekannter bewaffneter Gruppe auf Städte im von der Regierung kontrollierten Südteil des Landes versetzte das zwischen Regierung und Rebellen geteilte Land am Wochenende in Alarmstimmung. Die Regierung von Präsident Laurent Gbagbo machte die Rebellen verantwortlich, die den Nordteil der Elfenbeinküste beherrschen; die Rebellen dementierten. Die Spannungen erfolgen kurz vor dem geplanten Beginn eines Demobilisierungsprozesses, der den Weg zu freien Wahlen im Oktober ebnen soll.

Nicht identifizierte Bewaffnete griffen in der Nacht zum Sonntag die Polizei- und Gendarmeriekasernen in Anyama an, einem nördlichen Viertel der Regierungsmetropole Abidjan, und lieferten sich Schusswechsel mit den Sicherheitskräften. Sie zogen sich am frühen Sonntagmorgen zurück, fuhren Richtung Norden und übernahmen die Kontrolle der Kleinstadt Agboville 70 Kilometer nördlich von Abidjan. Erst abends eroberte die Armee die Stadt zurück. Zwischenzeitlich entließen die Angreifer über 1.500 Häftlinge aus dem Gefängnis von Agboville.

Dieser südöstliche Teil der Elfenbeinküste war bisher vom Bürgerkrieg relativ verschont geblieben, der 2002 ausbrach und das Land bis heute geteilt hält. Gestern dauerten „Suchoperationen“ der Armee in mehreren Regionen an. Regierungstreue „patriotische“ Milizen, die für Übergriffe an ortsfremden Ethnien bekannt sind, errichteten Straßensperren. Die UN-Mission in der Elfenbeinküste kündigte die Entsendung von Blauhelmsoldaten in das Krisengebiet an.

In Abidjan rückten Elitetruppen in die Hauptstraßen aus und unternahmen systematische Fahrzeugkontrollen. Die meisten Straßen blieben menschenleer, verschiedentlich waren Presseberichten zufolge Schüsse zu hören. Eine französische Militärkolonne, die wegen ihrer schweren Bewaffnung als „suspekt“ galt, wurde von der ivorischen Armee angehalten und musste umkehren. Die Armeen Frankreichs und der Elfenbeinküste hatten sich erst im November 2004 Kämpfe in Abidjan geliefert. Gestern sprachen regierungstreue Medien von einem niedergeschlagenen Umsturzversuch.

Die neuen Spannungen scheinen den Hardlinern um den Präsidenten zu nützen, die den geplanten Wahlen ohne großen Enthusiasmus entgegensehen und die Auflösung ihrer Milizen vor den Wahlen ablehnen. Der Anführer dieser so genannten patriotischen Milizen in Abidjan, Charles Blé Goudé, kündigte noch am Sonntag im Stadtteil Treichville auf einer „Volksversammlung“ an, ab jetzt seien sämtliche Oppositionsversammlungen verboten.

In der Elfenbeinküste sind in den letzten Jahren zahlreiche Friedensabkommen geschlossen worden, zuletzt von Südafrika vermittelt. Das letzte von Ende Juni sieht einen Zeitplan zur Demobilisierung der Rebellen im Norden und der Milizen im Süden vor. Allerdings wird zugleich von erheblichen Waffenimporten in das Land berichtet, unter Bruch des geltenden UN-Waffenembargos. DOMINIC JOHNSON

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