: Die Linke: nur im Streit vereint
Tarnen und Täuschen gehören seit Lenin zum Handwerkszeug der Linken– auch untereinander
BERLIN taz ■ Da waren die bayerischen WASGler mächtig sauer. Jetzt reicht’s, soll der Bayernchef der Wahlalternative, Fritz Schmalzbauer, seinen Widerparten von der weiß-blauen PDS am Sonntag gedroht haben, „sonst gemma aussi“. Auf Hochdeutsch: Wenn ihr nicht spurt, verlassen wir die Einheitsfront unter dem Label „Die Linkspartei“. Da begann der hektische Teil der ersten Nominierung für eine gemeinsame Liste von Wahlalternative und PDS erst.
Die geschmähten PDSler, die ihren Namen kürzlich in Linkspartei änderten, aber weiter das Sagen haben, rächten sich am frechen WASG-Chef. Sie ließen Schmalzbauer bei der Wahl auf den wichtigen vierten Listenplatz durchfallen. In dem Moment glaubten die Wahlalternativler zu erkennen, was mit ihnen gespielt wird. Sie empörten sich über Tricks und Bevormundung durch PDS-Kader. Sie drohten, das Projekt starke bayerische Linke für die Bundestagswahl zu stoppen. Die PDSler bemerkten feinsinnig, mancher WASGler brauche Nachhilfe in Demokratie.
Das Pikante an diesem Tohuwabohu ist, dass die WASG-Linken Opfer der Instrumente ihres eigenen Werkzeugkastens wurden. Denn bei vielen kleinen linken Parteien und ihren Strategen gilt der taktische Winkelzug so viel wie der ideologisch makellose Vortrag. Wer sein Weltbild irgendwann umsetzen will, muss zunächst eine Parteiversammlung beherrschen – ohne dass es der gutgläubigen Parteibasis zu sehr auffällt.
Legendär hat die Masche einst Walter Ulbricht formuliert. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, war Ulbrichts Devise, als das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ 1945 in der späteren sowjetischen Besatzungszone landete. Die Kader des NKFD wurden an Schaltstellen platziert. Ulbricht wurde erster Generalsekretär der „Sozialistischen Einheitspartei“ (SED), des Produkts einer zwanghaften Verschmelzung von SPD und KPD unter Aufsicht der sowjetischen Militäradministration.
Dass taktische Manöver und eine harte Hand in der Parteiarbeit eine große Rolle spielen, geht auf Lenin zurück, den Organisator der russischen Revolution. Die Vertrauensseligkeit der Menschen gegenüber den Kapitalisten, so Lenin, „verlangt von uns die Fähigkeit, uns den besonderen Bedingungen der Parteiarbeit unter den ungeheuren, eben erst zum politischen Leben erwachten Massen des Proletariats anzupassen“. Kurz gesagt bedeutete das: Wenn die Linke in der Minderheit ist gegenüber „kleinbürgerlichen, opportunistischen, dem Einflusse der Bourgeoisie unterlegenen“ Elementen, müsse sie sich mit taktischen Mitteln in der Partei durchsetzen; Stalin lobte gern diese „Prinzipienfestigkeit“ der Lenin’schen Parteitheorie. Wenn die wahre Linke aber erst die Mehrheit errungen habe, müsse sie mit eiserner Disziplin die Richtung der Partei bestimmen. Das heißt: Strömungen, „die nicht ganz rein marxistisch, nicht ganz richtig sind“ (Lenin), werden zeitweise geduldet, aber immer wieder durch Reinigungen entfernt. Kein großer kommunistischer Führer, der Lenin für seine parteipraktischen Anweisungen nicht gehuldigt hätte, kein aufstrebender Kader, der sie sich auf Schulungen nicht einverleibt hätte.
Beim linken Listenkampf in Bayern ist freilich noch nicht klar, ob Taktik, notorische linke Rechthaberei oder ganz anderes den Ausschlag gab. Während WASG-Gründer Klaus Ernst – absprachegemäß – Platz 1 errang, war der durchgefallene Fritz Schmalzbauer schnell nicht mehr erreichbar. Er war nach Streit gen Nizza verreist. CHRISTIAN FÜLLER