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: Brüder im Geiste

Dieses „das bringt doch allet nüscht“ und „so ein Quatsch“-Geraune kenne ich schon zur Genüge. Ich sag da nix, sie haben eh die besseren Argumente: keine

Eigentlich finde ich es ja schön, wenn wildfremde Menschen überall zwanglos miteinander ins Gespräch kommen. Aber es gibt auch Ausnahmen: Wenn sie sich zum Beispiel spontan zu einem Mord verabreden oder wenn sich zwei Mundschutzmuffel verbrüdern.

So auch in dem engen Vorraum der Bank hier. Sie scheinen sich an Codes zu erkennen, und mit Code meine ich jetzt nicht, dass der Kandidat hier soeben ohne Maske in den Vorraum stürmt. Das reicht noch nicht. Man kann die auch mal vergessen haben, ist mir selbst schon passiert, es ist schließlich heiß.

Es ist eher der Blick, vielleicht auch jenes typische, halb resignierte, halb verächtliche Schnauben, das sich erst gegen den bankeigenen Ermahner in Warnweste richtet und gleich darauf gegen die unkritisch wissenschaftsgläubigen Bücklinge dort draußen, die bis zum Hals im After des gekauften Staatsvirologen und seiner Handlanger in Politik und Medien stecken. Nur sie selbst sind von irgendwoher erleuchtet, zusammen mit den 1,3 Millionen Gleichgesinnten, die sich hier auf zwanzig Quadratmetern an den Cash-Automaten drängen, und pro maskenfreier Nase hundert Euro abheben, bevor auch das noch verboten wird wie sowieso längst alles andere.

Ich versuche wegzuhören, wie sie sich gegenseitig bestätigen und aufschaukeln, um sich sodann auf dem nun erhöhten Erregungsniveau noch weiter zu bestätigen. Dieses „Das bringt doch allet nüscht“ und „So ein Quatsch“-Geraune kenne ich schon zur Genüge. Ich sag da nix, sie haben eh die besseren Argumente: keine. Da kann man wenigstens nichts falsch machen, im Gegensatz zu den Vertretern der immer noch so vielen ungesicherten Erkenntnisse. Tief gerührt von ihrem eigenen Herrschaftswissen nehmen die Schlaumeier Abschied. Es fehlt nur noch, dass sie einander um den Hals fallen.

Die beiden würden auch niemals in einer Gaststätte ihre Echtnamen angeben. Da stünde doch am nächsten Morgen der Zwangsimpfer vor der Tür, um bei der Gelegenheit auch gleich noch den Chip miteinzutackern. Auf einmal hat das „Tremor-Eck“ erstaunlich viel Prominentenbesuch: Allein dreimal am Abend Pablo Picasso und Woody Allen ist sogar fünfmal gleichzeitig da – der muss ja mächtig Durst haben. Denn leider haben die Skeptiker ausnahmsweise recht, auch wenn anstelle des Impfmanns die Polizei klingelt. Ob man was wisse. Gestern vor der Kneipe. Der Blechschaden mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort. Sie waren doch zwischen zwanzig Uhr und Mitternacht dort, Herr Picasso?

Leider möchte die Bundesregierung den Missbrauch der Daten, die einzig zur Bekämpfung der Pandemie gedacht sind, nicht regeln. Das ist sehr schade, weil sich dieselbe Regierung bisher ja durchaus Mühe gegeben hat, auch mit der Entwicklung einer sicheren App, aber nun fürchte ich doch, sie ist einfach sehr dumm. Jammerschade.

Eine Zeit lang lagen in jedem Lokal Kontaktlisten für die Gäste aus. Eigentlich sind die gesetzlich vorgeschrieben, aber das ist in Berlin ja seit jeher ein Synonym für „Leck mich“. Jedenfalls sehe ich diese Listen nun kaum mehr, auch nicht vor meiner momentanen Lieblingspinte.

Die eh schon ziemlich coole Barfrau trägt eine schwarze Maske mit so einem Kettchen dran, das Ensemble erinnert an ein elegant verspieltes BDSM-Accessoire. Ich glaube, das soll es auch, auf eine vermutlich ironische Art, aber ich möchte mich hier nicht noch tiefer im Sumpf meiner Spekulationen verlieren. Deshalb genug davon. Auch den Namen der Bar verrate ich nicht. Zum einen verpfeife ich niemanden, der keine Verpfeiflisten führt. Und zum anderen kommen sonst am Ende Touristen. Uli Hannemann