: „Erwachsen und sexy klingen“
IKONE Nur fünf Jahre existierte Sal Principatos Postpunk-Band Liquid Liquid in New York, trotzdem wurde sie stilbildend. Produzenten, Sampler und DJs hielten ihre 17 Songs hoch. Heute legt Sal Principato in Berlin auf
■ wurde 1957 in New Jersey geboren und lebt seit 1979 in New York. Bekannt wurde Sal Principato als Sänger und Percussionist der Postpunk-Band Liquid Liquid. Während ihres Bestehens von 1979 bis 1984 veröffentlichten Liquid Liquid vier EPs auf 99 Records, „Liquid Liquid“, „Successive Reflexes“ (beide 1981), „Optimo“ (1983) und „Dig We Must“ (1984), die 1997 von Mo’Wax und 2008 von Domino Records erneut veröffentlicht wurden.
■ Bis heute spielt Sal P. mit unterschiedlichen Musikern zusammen, u. a. Phil Toshio Sudo, Dennis Young, BMG und Kaos. In New York leitet er ein Probestudio und veranstaltet eine Partyreihe mit afrikanischer und karibischer Musik. Seit 2000 arbeitet er als DJ. (sj)
INTERVIEW SOPHIE JUNG
taz: Herr Principato, am bekanntesten sind Sie als Mitglied der New Yorker Band Liquid Liquid. Aus einer Postpunk-Attitüde hatten Liquid Liquid Anfang der Achtziger tanzbaren Pop entwickelt. Ihr Sound wurde auch von der Clubszene eingenommen. Wie passierte das?
Sal Principato: Anfang der Achtziger kulminierte in New York City alles, die HipHop-Szene aus der Bronx, die aussterbende Discoszene in Downtown, genauso New Wave und Punkrock. Wir machten etwas, was zu allen sprach. Nicht weil wir geschäftstüchtig gewesen wären, sondern weil wir einfach alles aufgegriffen haben, was um uns herum geschah. New York war damals sehr offen, und das Publikum fand daher ganz automatisch zu uns.
Grandmaster Melle Mel nahm 1983 eine Passage Ihres Songs „Cavern“ für seinen berühmten Song „White Lines (Don’t Do It)“. Wie fühlte sich das für Sie als Künstler an, Ihre Musik in einem HipHop-Track zu hören?
Das war total aufregend, als ich „White Lines“ zum ersten Mal hörte, schmeichelhaft und seltsam. Sampling war 1983 absolut unüblich. Genau genommen sampelte uns Melle Mel auch nicht: Er ließ unseren Song von einer Band covern und übernahm daraus die Basslinie, den Gesang und einige Textstellen.
In den Neunzigern veröffentlichte das britische Label Mo’Wax Ihre Songs erneut, 2008 war es wiederum Domino Records.
Wir hörten ja bereits 1984 auf, live zu spielen. Aber wir wurden immer weiter gesampelt. In den Neunzigern sah ich zufällig einen Videoclip von Duran Duran, in dem sie „White Lines“ coverten, verrückt! Seit 2000 legen DJs wieder unsere Originalsongs auf. Unsere Musik hat den Zeittest relativ unbeschadet überstanden. Das war auch der Grund dafür, dass Liquid Liquid aus Spaß wieder zusammenkamen und Konzerte gaben. Nach fast 20 Jahren Funkstille klang unser Sound immer noch kraftvoll. Ich bin sogar der Ansicht, dass wir Kreativität für ein weiteres Album in uns haben, aber dafür fehlt leider der Konsens in der Band.
In den nuller Jahren haben DFA Records, allen voran LCD Soundsystem, Ihren Kaputtfunksound mit zeitgemäßen Mitteln wiederbelebt. Das DJ-Duo Optimo aus Glasgow hat sogar Remixe Ihrer alten Songs angefertigt. Ist das nicht bizarr, dass Ihre Musik nun bereits in zweiter Generation zu hören ist?
Na ja, die Masse kennt uns deshalb trotzdem nicht. Aber diejenigen, die uns schätzen, sind die einflussreichen Produzenten und DJs. Insofern tut das gut, dass selbst nach 30 Jahren unsere gesammelten 17 Songs die Leute bewegen. Ich beschreibe dieses Gefühl gern so: Bei einem Dinner mit zehn Personen, zu dem ich eingeladen bin, smalltalken wir im typischen New-York-Style darüber, was jeder von uns macht. Wenn ich dann erkläre, dass ich früher in einer Band namens Liquid Liquid gespielt habe, schauen mich acht Leute mit leerem Gesichtsausdruck betreten an, und die beiden anderen fallen vor Ehrfurcht und Bewunderung von ihren Stühlen.
Inzwischen arbeiten Sie als DJ. Aus Verlegenheit?
Ja, absolut. In den Neunzigern promotete ich afrikanische und karibische Popmusik. Wenn auf Events der DJ mal nicht auftauchte, bin ich stattdessen ans Pult. Vor ungefähr zehn Jahren fing ich dann auch an, ernsthaft als DJ Tanzmusik aufzulegen. Die Leute zwangen mich förmlich dazu.
Gemeinsam mit dem Produzenten und DJ BMG aus Detroit haben Sie das Album „Credit Card“ aufgenommen, eine Mischung aus Detroit-Techno und New York-Garage. Warum?
Ich mag es sehr, wenn Musikstile kollidieren, solange es Sinn hat und nicht nur haufenweise Klangelemente aufeinandergeklatscht werden. Ich selber spiele viel Elektro, aber es sollte immer Swing drin sein. Es ist zwar witzig, seine Arme in die Luft zu reißen, besser finde ich aber, seine Hüften kreisen zu lassen und mit dem Arsch zu wackeln. Meistens spiele ich Disco, Funk und House und leite dann zu Afro und Dub über. Ich will Tracks spielen, die bekannt klingen, aber irgendwie auf diese Art im Mix noch nicht gehört wurden.
Welchen Song würden Sie selber gern remixen?
Einen von den alten Oldschool-HipHop-Tracks möchte ich remixen und dabei seine Wärme und Natürlichkeit behalten, aber Sound und Struktur auf einen neuen Stand bringen. Er sollte dann erwachsen und sexy sein, auf keinen Fall aber eine postadoleszente Version von dreckig und sleazy. In London und New York produzieren sie gerade eine Art neue Discomusic, aber es fehlt die Sexyness.
Berlin wird gern als Update von New York Anfang der achtziger Jahre charakterisiert. Haut das hin?
Hier in New York haben wir ein sehr gutes Bild von Berlin als angesagtem Ort. Musikszene und Partyleben scheinen wirklich offen und außerordentlich zu sein. Auch im alten New York waren die Mieten sehr günstig. Kreativität hat viel mit günstigen Lebenshaltungskosten zu tun. Als ich in den späten Siebzigern nach New York ging, hatte ich auch dadurch die Möglichkeit, mich auszuprobieren. Ich denke, das tun viele Leute heute in Berlin.
■ Sal P, heute Abend als DJ in der Soju Bar in Kreuzberg