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Archiv-Artikel

Franzi in ihrem Element

Franziska van Almsick kann mehr als Bademoden kreieren. Für das Erste und die „Welt am Sonntag“ kommentiert sie die Schwimm-WM. Mangelnde Erfahrung macht sie mit Unbeschwertheit wett

VON JUTTA HEESS

„Ich bin froh, dass ich nicht mehr da unten sein muss.“ Ohne Badeanzug steht Franziska van Almsick als ARD-Expertin der Schwimm-Weltmeisterschaften auf der Kommentatoren-Empore in Montreal. Das freut nicht nur Zuschauer und Fans der ehemaligen Sportlerin, sondern vor allem ihren dauerstrahlenden Co-Kommentator Ralf Scholt. Man muss abwarten, ob sie wirklich Glück gehabt hat, dass nicht wie geplant der in die Bestechlichkeitsbredouille geratene Wilfried Mohren ihr Gegenüber geworden ist.

Franziska van Almsick betätigt sich also nach ihrem Karriereende nicht nur als Schwimmschulen-Leiterin und Bademoden-Designerin, sondern auch journalistisch – im Ersten und in der Welt am Sonntag. Für das Springer-Blatt führt sie Interviews mit anderen Top-Athleten. Bisher sind Gespräche mit Steffi Graf und Jan Ullrich erschienen, niedliche Plaudereien, so von Superstar zu Superstar, zu denen man ein Stückchen Kuchen reichen möchte („Ein nettes Haus hast du, Jan“ oder „Wie kamst du nur dazu, dir 2002 von einer Pappnase eine Pille andrehen zu lassen?“). Mangelnde Erfahrung macht van Almsick sowohl in der Zeitung als auch im Fernsehen einfach mit einer gehörigen Portion Unbeschwertheit wett, was nicht die schlechteste Vorgehensweise ist. Sie bringt es fertig, bei den Vorläufen am zweiten Tag der Beckenwettkämpfe ganz locker zu offenbaren: „Also zum Brustschwimmen kann ich gar nichts sagen.“ Ralf Scholt vergeht zum ersten Mal das Grinsen, die Zuschauer sind amüsiert.

Im Gegensatz zum ehemaligen Schwimmer Christian Keller, der im ZDF den Fachmann gibt und sich sehr ausführlich zu Technik und Taktik äußert, tupft Franziska van Almsick salopp rote Striche auf Zeitlupenbilder, erklärt knapp, dass Michael Phelps abgehackt schwimme und man sich von den Australierinnen ein Stück abschneiden könne. Sonst sagt sie gerne „unglaublich“ und „sensationell“ und plaudert flüssig aus dem Nähkästchen: Stefan Herbst müsse einen guten Mittagsschlaf machen, Sarah Poewe werde das Ding schon schaukeln, und Pietschi müsse sich ordentlich strecken. Als eine Art Detektivin mit großer Sonnenbrille führt sie in der Rubrik „Franzis Check“ kleine lustige Interviews mit ihren einstigen Kollegen, bei denen gern gealbert und gekichert wird. Fragen wie „Was sagst du zur Wassertemperatur?“ oder „Hättest du lieber Sonne oder Regen?“ kann man auch wirklich nicht ernsthaft beantworten.

Auch wenn das alles nicht superprofessionell daherkommt: Van Almsicks Auftritte sind erfrischend. Gerade nach dem Reporterdebakel der letzten Olympischen Spiele, wo die deutschen Schwimmer in Grund und Boden kritisiert wurden und einige TV-Journalisten zu Inquisitoren am Beckenrand mutierten, ist es angenehm, jemanden entspannt und fair urteilen zu hören. Franzi weiß, was es bedeutet, von den Medien getunkt zu werden.