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Archiv-Artikel

Soziale Konflikte in der 3. Liga

Die Fußball-Regionalliga Nord startet heute in die neue Spielzeit. Während die Fans die zahlreichen Traditionsmannschaften in der dritten Liga schätzen, müssen die Clubs mit wenig Geld auskommen

„Alle im Verein wollen nur ein Jahr in der Fußball-Regionalliga bleiben“

VON MARTIN TEIGELER

In der Fußball-Bundesliga werden noch Liga-Cups und sonstige Kirmespokale ausgespielt, da beginnt in der 3. Liga schon die neue Saison 2005/2006. Um 19.30 Uhr startet heute die Fußball-Regionalliga Nord mit der Partie Fortuna Düsseldorf gegen VfL Osnabrück. Großer Favorit für den Aufstieg in die 2. Bundesliga ist Rot-Weiß Essen – gerade erst aus der zweiten Profiliga abgestiegen. „Mich stört es nicht, dass wir als Top-Favorit gelten, denn diese Einschätzung deckt sich mit unserer Zielsetzung“, sagt RWE-Trainer Uwe Neuhaus. Die Stimmung an der Essener Hafenstraße fasst der Übungsleiter so zusammen: „Alle im Verein wollen nur ein Jahr in der Regionalliga bleiben.“

„Schweineliga“ hat der frühere Essener Coach Jürgen Gelsdorf die Regionalliga einmal genannt. Besonders verärgert sind viele NRW-Vereinsvertreter wegen der Wettbewerbsverzerrung durch den Einsatz bekannter Bundesliga-Kicker in den Zweitvertretungen der Proficlubs. Doch daran soll sich erstmals nichts ändern. Die Reserveteams von Profiklubs wie Leverkusen oder Köln werden künftig lediglich von „II“ aufsteigend durchnummeriert (III, IV, X usw.).

Besonders unbefriedigend sind für die Vereine die finanziellen Rahmenbedingungen in der 3. Liga. Während in der 2. Bundesliga jeder Club etwa fünf Millionen Euro Fernsehgelder bekommt, erhalten die Drittligisten nur jeweils rund 350.000 Euro. „Da ist es klar, dass die meisten Vereine die 2. Liga anstreben“, sagt Hans-Georg Moldenhauer, beim Fußball-Dachverband DFB für die Amateure zuständig. Weil der DFB grundlegende Strukturänderungen einer bürokratischen und langsam arbeitenden Reformkommission überantwortet hat, dürften sich die sozialen Konflikte in der Fußball-Parallelgesellschaft Regionalliga in dieser Saison weiter verschärfen. Stillschweigendes Motto des finanziell riskanten Wettlaufs: (Fast) alle wollen aufsteigen, (fast) alle haben aber kein Geld.

„Unser Haushalt ist jedesmal auf Kante genäht“, sagt ein Vereinsvertreter aus NRW. Laut einer dpa-Umfrage stehen den 19 Ligavereinen insgesamt nur rund 34 Millionen Euro zur Verfügung, wobei jedoch die fünf Amateurteams der Bundesligisten keine Angaben machten. In der vergangenen Spielzeit planten die Clubs noch mit 38,81 Millionen Euro. Zum Vergleich: In der 1. Liga beträgt allein der Personaletat insgesamt 450 Millionen Euro. Fünf Regionalliga-Vereine stockten ihre Etats auf, dagegen verringerten fünf Clubs ihre Budgets. „Die Etatentwicklung ist auf dem richtigen Weg. Einige Vereine haben aber immer noch zu hohe Haushalte“, sagt DFB-Mann Moldenhauer. Der Dachverband will vermeiden, dass ähnliches geschieht wie in der abgelaufenen Spielzeit. Da blieb der Ex-Bundesligist KFC Uerdingen auf der Strecke, nachdem gegen die klammen Krefelder ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden war. Der DFB entzog dem Verein die Drittliga-Lizenz. Uerdingen muss in der Oberliga neu anfangen.

Wegen der zahlreichen Traditionsmannschaften in der Regionalliga erwarten Beobachter einen neuen Zuschauerrekord. Bei den besseren Teams der Liga lag der Schnitt schon in der vergangenen Saison zwischen 8.000 und 16.000. Auch die sportliche Konkurrenzsituation dürfte die Attraktivität der Klasse erhöhen.

Nichts ändern dürfte sich am medialen Erscheinungsbild der Liga. Während die 3. Liga etwa in England professionell vermarktet wird, fristet sie im deutschen Fernsehen ein trauriges Dasein. Der WDR versteckt das Geschehen weiterhin auf einem unattraktiven Sendeplatz am späten Samstagnachmittag. Hinter vorgehaltener Hand meckern Vereinsoffizielle über die Sendung „Sport im Westen“: „So langweilig, wie die das machen, ist die Liga wirklich nicht.“