: Die Versuchungen des Radfeinds
Ein hinterhältiger und gemeiner Zehnpunkteplan, der rechtschaffenen Radfahrern das Leben zur Hölle machen soll
Das richtige Rad kostet kein Vermögen. Nichts Schöneres gibt es, als mit einem richtigen Rad Verkehr zu haben. Radfahren steigert die Erkenntnis oft um mindestens 31 Prozent. Gegen innere Zerrissenheit hilft ein handelsübliches Flickzeug. Und die Erscheinungswelt, richtige Radfahrer wissen das, wird von Lenkerband zusammengehalten. Der Feind des Radfahrens weiß das auch. Daher hat er einen hinterhältigen Zehnpunkteplan ersonnen, um das zu ändern.
1. Der Gegenwind: Der Gegenwind ist ein Fluch. Als das Fahrrad erfunden wurde, kann es ihn noch nicht gegeben haben. Man hätte von der Erfindung Abstand nehmen müssen. Also kann der Gegenwind nur ein Werk des Feindes sein. Und wenn er wütet, wütet er aus jeder Richtung. Dagegen ist man machtlos.
2. Die Radläden: Radläden mit kalauernden Firmenschildern dürfen nicht sein. „Rad und Tat“, „Guter Rad ist teuer“, „Fahr!Rad“, „Radschlag“, „KameRad“ oder „Radskeller“ heißen sie. Und was sie verkaufen, fährt nicht; was sie reparieren, funktioniert nicht. Sie sind eine Provokation des Feindes. Außerdem klingt das blöde.
3. Diminutive und Dummwörter: Die Wörter „Radl“ und „radeln“ gehören auf den Index. Außer in Bayern. Die Verniedlichung fügt der Würde des Radfahrers und des Fahrrades Schaden zu. Wo Diminutive wesen, lauert das Unheil. Analog zum Alkoholgenuss. Siehe „Bierchen“, „Schlückchen“ etc. Wer nicht in Würde trinken kann, soll es bleiben lassen. Gipfel aller Heimsuchungen sind „Radler“, die „auf ein Bierchen“ unterwegs sind. Man meide sie. Für die unbedachte Anwendung des Wortes „Drahtesel“ gibt es dreihundert Strafrunden in schwerer Festungshaft beziehungsweise das Gebot, herauszufinden, was mit dem arschdummen Sprichwort „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“ gemeint sein soll.
4. Das Radler: Das Getränk „Radler“ ist keine Erfrischung. Es ist eine Zumutung. Und diese Zumutung erschließt der Untrinkbarkeit neue Horizonte. Man verhöhne seine Hersteller.
5. Der Radweg: Der Radweg ist ein Trug. Denn er führt nicht ins strahlende Glück, sondern in den Dünkel. Oder er ist eine Beleidigung. Denn der Radfahrer braucht kein Schutzhabitat. Das bildet sich der Feind des Radfahrens nur ein.
6. Die Fahrradkarte: Die Fahrradkarte im öffentlichen Nah- und Fernverkehr ist von großem Übel. Denn auf kleinen Strecken ist sie teurer als der Personenfahrschein. Diese Überlegungen des Feindes zielen auf die Zerstörung der Einheit von Radfahrer und Fahrrad. Man fahre schwarz oder überhaupt nicht oder flechte den dafür Verantwortlichen die Luftpumpe zweimal um den Hals.
7. Der Radsport: Der Radsport soll abgeschafft werden. Denn er nimmt der Bewegung jegliche Anmut. Und er zeigt das Radfahren als Quälerei schlecht angezogener Herren und Damen, die sich nicht benehmen können. Der Feind des Radfahrens will an dieser ungeheuerlichen Demütigung nur Geld verdienen.
8.–10.: Anzugsordnung und Ausstattung. Die quiekbunten Strampelanzüge, der alberne Nussschalenhelm und das Lightweightrad im Gegenwert zweier Reihenhäuschen aber mögen vorerst bleiben, denn diese machen den Feind von weitem kenntlich. Und irgendwann werden wir ihm, ich sag’ jetzt ganz einfach mal, die Luft aus dem Reifen gelassen haben. Worauf er einen lassen kann.
MICHAEL RUDOLF