: Hase und Igel im Weltraum
Nachdem sich beim Start der „Discovery“ erneut Teile gelöst haben, wird die Nasa ihre veraltete Shuttle-Flotte wohl einmotten. Bei ihrem Alleingang ins All haben sich die USA endgültig verlaufen
von ARNO FRANK
Auf die tückische Frage, wem denn eigentlich die bemannte Raumfahrt nutzt, gab es zuletzt eine einfache Antwort: George W. Bush. Unbequeme Erkundigungen nach dem Krieg im Irak oder dem US-Haushaltsdefizit konterte der Präsident mit dem Hinweis auf eine viel gewaltigere nationale Anstrengung: den ersten Start einer Raumfähre seit der „Columbia“-Katastrophe vor zwei Jahren.
Nach Reparaturen im Wert von anderthalb Milliarden Dollar und mehreren Verzögerungen war es dann Dienstag endlich so weit. Um 10.39 Uhr Ortszeit stieg die „Discovery“ mit sieben Astronauten an Bord in den Himmel über Florida. Pro Sekunde verbraucht der Koloss dabei 2.967 Liter Wasserstoff und 1.067 Liter Sauerstoff. Der Treibstoff speist sich aus dem externen Tank, dessen abbröckelnde Schaumstoff-Isolierung der „Columbia“ zum Verhängnis geworden war.
Wenn nach nur zwei Flugminuten der leere Tank über dem Indischen Ozean ausgeklinkt ist und die Fähre das All erreicht hat, sind nicht nur zwei Millionen Liter Treibstoff verbrannt, sondern auch 435 Millionen Dollar an Steuergeldern. Dabei verschlingt der Start „nur“ 84 Millionen, der Rest entfällt auf Fixkosten zur Wartung der komplizierten Technik. Dass deren Risiken von der Weltraumbehörde Nasa nicht in den Griff zu bekommen sind, zeigte sich bei nachträglicher Auswertung des Starts – wieder hatte sich ein Schaumstoffteil vom Tank gelöst. Derzeit ist die Besatzung auf der Suche nach möglichen Schäden an der Fähre, die inzwischen an die Internationale Raumstation ISS angedockt ist.
„Bis wir das Problem nicht im Griff haben, werden wir nicht wieder fliegen können“, erklärte daraufhin ein sichtlich frustrierter William W. Parsons, Manager des Shuttle-Programms. Pragmatische Worte fand Nasa-Programmdirektor Wayne Hale für die Aussetzung aller weiteren Flüge: „Unser Geschäft ist es, ins All zu fliegen. Und das ist eben ein sehr riskantes Geschäft.“
Tatsächlich rührt sich zunehmend chinesische und neuerdings auch indische Konkurrenz. Und die stolzen USA mit ihrer Flotte aus aufwändigen, aber eben inzwischen maroden Raumfähren muss es ungeheuer kränken, nun wieder auf die effektiven sowjetischen Wegwerf-Raumkapseln vom Typ „Sojus“ angewiesen zu sein. Der scheinbar längst entschiedene „Wettlauf ins All“ erweist sich als Rennen zwischen Hase und Igel: Weil ein protektionistisches US-Gesetz den Import russischer Raumfahrttechnik verbietet, wird die Nasa russisches Know-how mieten müssen. Erstmals werden auch ernsthaft Kooperationen mit der ESA erwogen. Die USA haben sich bei ihrem Alleingang verlaufen und spekulieren nun notgedrungen auf internationale Hilfe. Eine Dilemma, das George W. Bush irgendwie bekannt vorkommen müsste.