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Archiv-Artikel

„Ausbeuten wird schwieriger“

PERU Vier Bergseen auszuradieren, ist keine Lappalie mehr. Der Protest gegen die internationalen Bergbaukonzerne ist massiv, inzwischen gibt es Tote

José de Echave

■ arbeitet für die Umweltorganisation CooperAcción. Der Ökonom war bis 2011 Vizeumweltminister im Kabinett von Perus Präsident Humala – dann trat er wegen der Regierungspolitik zurück.

INTERVIEW KNUT HENKEL

taz: Herr Echave, Peru ist einer der Wunschkandidaten Berlins für eine Rohstoffpartnerschaft. Was könnte eine derartige Kooperation für Peru bringen?

José de Echave: Nichts Gutes. Diese Partnerschaften findet nicht auf Augenhöhe statt, und sie interessieren sich auch nicht für die nachhaltige Entwicklung des betreffenden Landes. Ähnlich wie die Freihandelsabkommen auf multilateraler und bilateraler Ebene gehorchen Kooperationen dem ökonomischen Wachstumsimperativ. Verträge wie das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Peru und Kolumbien, welches auch ein Thema beim Besuch von Präsident Ollanta Humala im Juni in Berlin war, verhindern faktisch, dass die kleinen Partner ihre Umweltschutzbestimmungen verbessern.

Inwiefern?

Weil neue Umweltgesetze die Investitionsbedingungen faktisch verändern würden. Die sind aber in vielen Verträgen ausdrücklich geschützt und sind einklagbar. Das ist ein gravierendes Problem, denn Peru wie in den meisten lateinamerikanischen Ländern steckt die Umweltschutzgesetzgebung noch in den Kinderschuhen und muss dringend erweitert werden. Das beweist ja auch der sich ausweitende Widerstand im Land.

Massive Bergbauproteste halten Peru seit Monaten in Atem.

Ja, und sie sind blutig. Sowohl bei den Protesten gegen das Projekt Conga, das den Ausbau einer Goldmine in der Millionenstadt Cajamarca im Norden vorsieht, als auch bei dem Konflikt um die Kupfermine Tintaya im kleinen Espinar in der Mitte des Landes, waren Tote zu beklagen.

Zeichnen sich politische Lösungen ab?

Nein. Die Regierung scheint die Tragweite und die Gründe für die immer massiver werdenden Proteste überhaupt nicht zu verstehen. Das belegt letztlich auch die Tatsache, dass gleich zweimal das Kabinett im Zusammenhang der Proteste gegen das Bergbauprojekt Conga ausgewechselt wurde. Es gibt weder eine tragfähige Strategie noch die Politiker, die bereit sind, Kompromisse auszuhandeln und den Dialog zu führen. Die Regierung reagiert nur. Von sich aus tut sich nichts, um die strukturellen Probleme des Landes zu lösen.

Dabei hatte der jetzige Präsident Ollanta Humala im Wahlkampf versprochen, die Rechte der Gemeinden schützen, den Zugang zum Wasser zu gewährleisten und für eine Koexistenz von Bergbau und Landwirtschaft einzutreten.

Humala hat viele Hoffnungen geweckt und ist von vielen Bauern gewählt worden. Anfangs gab es auch den politischen Willen ein ganzes Paket von Reformen durchzuführen, die den peruanischen Staat und das Umweltministerium zu einer ernsthaften Autorität im Lande gemacht hätten. Doch als die ersten Konflikte entbrannten, vor allem rund um das Proyecto Conga in Cajamarca, war man immer weniger bereit, den Wandel in der Umwelt- und Bergbaupolitik einzuleiten. Aus der Reformregierung wurde die Regierung der Kontinuität oder besser des Stillstands.

Stößt der Abbau von natürlichen Rohstoffen an seine Grenzen?

Die peruanische Regierung hat sich für ein Wirtschaftsmodell entschieden, das auf der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen basiert. Aber das ist ein Phänomen, das in ganz Lateinamerika zu beobachten ist. Nur sind es in Peru und Kolumbien, die internationalen Bergbaukonzerne, die dort agieren, während es in Brasilien, Venezuela, Bolivien oder Ecuador vornehmlich staatliche sind. Doch überall gibt es soziale Probleme und Widerstände gegen den Raubbau und das Eindringen in Naturschutzgebiete.

In Peru ist der Bergbau für rund 60 Prozent der Exporte verantwortlich. Richtig, gleichzeitig gibt es in der Branche nur rund 100.000 Arbeitsplätze. Zudem gefährdet der Bergbau Arbeitsplätze – vor allem in der Landwirtschaft. Trotzdem hat die Regierung in Lima grünes Licht für mehrere weitere Großprojekte gegeben. Die Peruaner sind damit nicht einverstanden.

2007 hat es ein Referendum zum Aufbau einer Kupfermine im Norden Perus gegeben. Die Bevölkerung in der Region hat sich gegen das Projekt Río Blanco ausgesprochen. Sind solche Referenden sinnvoll?

Ja, durchaus. Referenden über strittige Bergbauprojekte sind nicht nur in Peru eine Option, sondern in ganz Lateinamerika. Es ist unbedingt nötig, neue Mechanismen für die Partizipation der lokalen Bevölkerung zu entwickeln. Die Volksbefragung könnte ein solcher sein.

Warum gibt es dann in Peru immer noch keinen Flächennutzungsplan, sondern eine kaum regulierte Konzessionierung?

Umwelt- und Sozialorganisationen plädieren seit Jahren für den Flächennutzungsplan, und der sollte unter Ollanta Humala eigentlich kommen. Doch die Politik hat ihn in den letzten Monaten trotz der zunehmenden Konflikte unter den Tisch fallen lassen. Es gibt viele Konzerne, die sich Konzessionen für die Zukunft gesichert haben und Bergbauprojekte auf Basis dieser Konzessionen planen. Die sind gegen einen Flächennutzungsplan, der Gebiete für die Landwirtschaft, den Tourismus und andere Aktivitäten reservieren würde und der Bevölkerung auch ein gewisses Mitspracherecht einräumen könnte. In den meisten Fällen, sind die Leute vor Ort nie gefragt worden.

Welche Lehren können internationale Investoren aus den beiden Konflikten, Conga und Tintaya, ziehen?

Klar ist, dass die Bergbaukonzerne nicht mehr wie vor zwanzig Jahren vorgehen können. Die Leute vor Ort stellen heute Ansprüche. Und vier Bergseen auszuradieren, wie es in Cajamarca geplant war, ist in Peru keine Lappalie mehr. Früher war das anders, da wurde der Bergbau quasi von oben verordnet, und keiner muckte laut auf. Heute geht die Bevölkerung auf die Straße und tritt für ihre Rechte ein. Die Parameter haben sich verschoben. Wir leben in einer Welt, die von der Klimakatastrophe bedroht ist, und das ist in Peru längst spürbar.