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Archiv-Artikel

„Kult kann man nicht produzieren“

Auch Jungendwellen altern: Bis 2015 wird die Zahl der Jugendlichen in Berlin und Brandenburg drastisch zurückgehen und damit die Zahl der Hörer von Radio Fritz. Stefan Warbeck ist ab Montag neuer Chefredakteur der Fritzen – und will den legendären RBB-Sender behutsam, aber deutlich renovieren

INTERVIEW FELIX LEE

taz: Herr Warbeck, wie hoch ist das Durchschnittsalter ihrer Redaktion?

Stefan Warbeck: Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Auf jeden Fall waren wir schon einmal älter.

Ist die Altersschere zwischen Mitarbeitenden und Hörenden der Grund dafür, dass Fritz, laut aktueller Media-Analyse, 19 Prozent weniger Hörer hat?

Nein. Natürlich versuchen wir immer, jüngere Moderatoren ans Mikro zu bringen. Aber Leute, die hier länger dabei sind, bringen viel Erfahrung für ein gutes Programm mit.

98.000 Hörer pro Stunde – im Vergleich zum Spitzenreiter Radio BB mit über 200.000 Hörern sieht Fritz da alt aus.

Wir sind ein Jugendprogramm und in unserer Zielgruppe Marktführer. Wir stehen mit knapp 100.000 Hörern in der Stunde doch gar nicht so schlecht da.

Wie wollen Sie aus dieser Nische herauskommen?

Von Nische würde ich nicht sprechen. Unser Zielpublikum reicht von 14 bis 29 Jahren. Da haben wir sehr unterschiedliche Altersgruppen zu bedienen. Damit ist unsere Aufgabe schon schwierig genug.

Aber Fritz unterscheidet sich, so die Kritik, immer weniger von privaten Dudelsendern.

Vieles, was wir eingeführt haben, haben die Privaten von uns abgekupfert. Sie werden uns immer ähnlicher. Fritz ist und bleibt innovativ und unterscheidet sich nach wie vor klar von den Kommerziellen.

Vor einigen Jahren errang Fritz vor allem mit den nächtlichen Talksendungen Kultstatus. Die Sendungen gibt es noch, aber von Kult ist kaum mehr die Rede. Hat sich der Hörergeschmack geändert?

Kult ist etwas, was man nicht produzieren kann. Es entsteht einfach. „Blue Moon“ wird es weiterhin geben, denn dieser Talk bleibt beliebt. Natürlich müssen wir gleichzeitig unser Programm weiter entwickeln. Viele unserer Hörer sind mit Fritz aufgewachsen und kennen unser Sendekonzept auswendig. Die müssen wir bei der Stange halten. Aber natürlich wollen wir auch neue Hörer gewinnen.

Wann wird in der Regel mit Fritz gebrochen?

Ich habe das Gefühl, junge Menschen fühlen sich heutzutage viel früher erwachsen. Wenn man mit 14 bereits begonnen hat, Fritz zu hören, sucht man mit 23 wahrscheinlich nach Sendern, die einem erwachsener vorkommen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass unser Programm sanft, aber doch für jeden Hörer erkennbar renoviert wird. Eine andere Tatsache, die sich auf unsere Welle auswirkt, ist die deutlich abnehmende Radionutzung. Viele Jugendliche insbesondere in Brandenburg wandern ab. Und es gibt die Konkurrenz der neuen Medien.

Im Flächenland Brandenburg muss man Jugendliche doch sicherlich anders bei Radiolaune halten als in Berlin, oder?

Da gibt es viel mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt. In Brandenburg ist ein Jugendlicher daran interessiert, was die neuen wichtigen Bands sind, das ist in Berlin nicht anders.

Aber interessiert es die jungen Berliner wirklich, was musikalisch in der Pampa abgeht?

Wieso Pampa? Sowohl in Berlin als auch in Brandenburg gibt es eine hoch spannende Szene. Wenn die Musik gut ist, fragt auch ein junger Berliner nicht, wo die Musik herkommt. Wir bemühen uns um ein Angebot, das alle jungen Leute anspricht. Probleme wie Drogen, Miete oder Ausziehen von zu Hause – das interessiert alle gleichermaßen.

Sie meine also, junge Berliner und Brandenburger Hörer liegen auf der gleichen Wellenlänge?

Die Brandenburger Jugend ist zum Beispiel weniger in kleine Einzelteile zerfallen als in Berlin. Insgesamt ist das aber ein allgemeiner Trend. Gerade was die Musik betrifft, wird es immer schwieriger, ein verbindendes Element der unterschiedlichen Szenen hin zu bekommen. Irgendwo taucht ein Minitrend auf, schon ist da jemand, der sagt, ich finde da noch einen Spezialfall. Diese Entwicklung ist in Berlin größer, weil der Zwang, sich individuell abzugrenzen, in der Stadt größer ist.

Wo wollen Sie als neuer Chefredakteur Akzente setzen?

Wir müssen zum Beispiel auf den demografischen Wandel reagieren. Seit 2000 gibt es den Trend, dass die Zahl der Jugendlichen abnimmt. Bis mindestens 2015 wird sich diese Entwicklung verschärfen. Wir rechnen damit, dass unsere Zielgruppe in Berlin um 20 Prozent schrumpft, in Brandenburg gar um 40. Innerhalb der Redaktion will ich dafür sorgen, dass die Mitarbeiter mehr Zeit für kreative Phasen bekommen. Ansonsten sehe ich meine Aufgabe vor allem darin, vieles zu sichern und behutsam fortzuentwickeln.

Heißt das nicht, dass Ihr Stellenwert im RBB-Verbund noch weiter sinken wird? Immer wieder tauchen Gerüchte auf, dass bei sieben Wellen eine noch dichtgemacht werden soll.

Von der Intendantin gibt es die klare Aussage, dass alle sieben Wellen auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Es gibt also nichts zu befürchten.

Aber gerade bei Fritz und Radio Eins ist der Übergang doch sehr fließend.

Was ist daran schlecht? Klar wird über das Verhältnis zwischen Fritz und Radio Eins auch RBB-intern geredet. Beide suchen nach Möglichkeiten, sich stärker zu profilieren. Das heißt aber nicht, dass wir jeden Tag mit Schwertern aufeinander losgehen. Ich finde, dass wir einen sehr sportlichen Wettstreit um Hörer und Ideen führen. Und letztendlich nutzt der den Hörern.