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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Ganz schön forsch

■ betr.: „Eingeholt und ausgeliefert“, „Prozess für Polanski! Entscheidung des Tages“, taz vom 30. 9. 09

taz.de-User „Rad-Fahr“ findet es „schlimmer, wenn dieser Mann frei herumlaufen würde, weil es ein Beweis wäre, dass Geld doch die Justiz blenden kann“. Nun ist der Anspruch auf Gleichheit vor dem Gesetz eine wesentliche Grundlage unseres demokratischen Verständnisses und des Bestands eines Rechtsstaates. Reflexionen über die tatsächliche Umsetzung dieses Anspruchs zum einen und auf der anderen Seite über das Verhältnis, das auch ein Spannungsverhältnis ist, zwischen Recht und Gerechtigkeit sind dagegen in der öffentlichen Debatte weniger präsent. Die Umsetzung des Gleichheitsanspruchs wird vorzugsweise dann besonders vehement eingefordert, wenn Prominente, möglicherweise aus der schillernden Welt des Films, die Beschuldigten sind und es gar um sexuelle Straftaten geht. Es ist wirklich vertrackt, dass es jetzt ausgerechnet Roman Polanski getroffen hat.

Das Leben habe Roman Polanski „übel mitgespielt“, konstatiert C. Nord in ihrem Beitrag, um dann in dürren Worten über dieses Leben Lexikonwissen zu präsentieren. Schon die Wortwahl „übel mitgespielt“ stößt unangenehm auf und lässt vermuten, dass sich Frau Nord nicht so arg genau vorstellen konnte oder wollte, was sie da zusammenfasste an „üblen“ Erfahrungen, was es denn heißt, als Kind die Mutter in Auschwitz zu verlieren und sich selbst unter Todesgefahr verstecken zu müssen. Um dann als Erwachsener erleben zu müssen, dass die schwangere Ehefrau von übergeschnappten Mitgliedern einer Sekte ermordet wird. Er habe als Regisseur Großes geleistet. Tatsächlich hat er ein großes Filmwerk geschaffen. Auch deshalb, weil er in seinen Filmen immer wieder das Grauen auf ganz unterschiedliche Weise zu fassen gesucht hat. Das hat sicher nicht jedem gefallen, und damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Ich habe über die Jahrzehnte einige seiner Filme gesehen, anfänglich als Jugendliche verstört über „Rosemary’s Baby“, lachend bei „Tanz der Vampire“ und fasziniert von „Macbeth“. In „Der Pianist“ kam er dann, wie mir schien, zu den (lebens)geschichtlichen Wurzeln des filmisch von ihm immer wieder angegangen Grauens und hat ein Werk geschaffen, das mir so eindringlich wie eigentlich kein anderer Spielfilm vorher vor Augen führte, mit unverstelltem Blick – ohne Glaubensangebote, Sinnstiftung oder Psychohygiene –, was deutsche Menschen damals ihren polnischen und polnisch-jüdischen Mitmenschen antaten.

Wenn jetzt „Rad-Fahr“ die Freilassung von Polanski so schlimm findet, ist das ganz schön forsch für deutsche Verhältnisse. Dass die heute wohl 45 Jahre alte Frau selbst nicht mehr auf strafrechtlicher Ahndung besteht und das Verfahren beendet haben möchte, ist auch ganz und gar nicht unerheblich, nicht zuletzt, weil dahinter eventuell ihr Wunsch steht, nicht in den vulgären Medienrummel um den Prozess gegen einen „Starregisseur“ gezogen zu werden. Sie hat eine Entschädigung bekommen. Ich gehe davon aus, dass diese höher lag als die 2.556 bis 7.669 Euro, die überhaupt noch lebende frühere Zwangsarbeiter nach jahrzehntelangem zähen Ringen von der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Staat erhielten. Mein Gerechtigkeitsempfinden verlangt schon, dass Roman Polanski bald wieder frei ist. SIBYLLE STRAUB-O’CONNOR, Dossenheim

Die KPD hat überlebt

■ betr.: „Wie geht es uns Herr Küppersbusch?“, taz vom 5. 10. 09

„Die Teilung in MSPD und USPD 1919 dauerte nicht so lange wie diese in SPD und Linkspartei.“

Hier irrt Herr Küppersbusch! Die Spaltung der SPD in MSPD und USPD erfolgte bereits 1917 aufgrund unterschiedlicher Positionen zur Frage der Kriegskredite im Reichstag. In der Silvesternacht 1918/1919 erklärte sich der linke Flügel der USPD – auch bekannt als Spartakus-Gruppe – zur KPD. Somit gab es drei linke Parteien/Arbeiterparteien. Während die USPD im Verlauf der nächsten zehn Jahre kontinuierlich an Anhängerschaft verlor und letztlich in der SPD und KPD aufging, hat die KPD bekanntlich überlebt.

BRIGITTA DORSCHFELDT, Berlin