Die Punktemalerei gibt Aborigines Hoffnung

Die Kunst australischer Ureinwohner erfreut sich wachsender Beliebtheit. Das große Geschäft damit machen Weiße

SYDNEY taz ■ Das nennt man eine gute Kapitalanlage: 1972 kaufte ein amerikanischer Reisender in Australien einem damals unbekannten Aboriginalkünstler ein Gemälde für 60 Euro ab. Während einer Auktion in Melbourne zu Beginn dieser Woche verkaufte er es wieder – für über 260.000 Euro. Das Beispiel zeigt, wie populär und gesucht Aboriginalkunst geworden ist. Das 41 mal 61 Zentimeter große Acrylbild war vom 2002 verstorbenen Clifford Possum gemalt worden, einem der herausragendsten Künstler Australiens.

Bei der selben Auktion verkauften Sammler aus aller Welt Werke im Gesamtwert von 3 Millionen Euro. Nicht nur die angebotene Kunst, auch das Interesse kam in erster Line aus dem Ausland. In Australien selber ist die Kunst der Aborigines noch immer eher ein Nischenmarkt.

Die meisten Werke erzählen Legenden und Mythen einer uralten Kultur. Früher malten die Aborigines die Geschichten ihrer Ahnen mit Ockerkreide an die Wände ihrer Wohnhöhlen. Diese Gemälde waren neben der gesprochenen Sprache der einzige Weg, Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Denn die Schrift kannten die Aborigines damals noch nicht. Auch heute noch gibt es im ganzen Land solche Zeichen frühester Kunst. Viele sind zehntausende Jahre alt. Erst moderne Maltechniken und Materialien wie Acrylfarbe erlaubten es Aboriginalkünstlern, die Legenden aus der so genannten Traumzeit einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Diese ist eine Art Schöpfungsgeschichte der Aborigines.

Ihren Ursprung hat die moderne Aboriginalmalerei im roten Herzen Australiens, wo auch Clifford Possum lebte. Dort entwickelte sich in den 70er-Jahren die so genannte Punktemalerei. Komplexe Gemälde wurden und werden komponiert aus tausenden, meist erdfarbenen Punkten. Seither haben sich überall im Land neue Stile entwickelt. Die bekanntesten sind die knallig farbigen Werke aus Balgo im Nordwesten und feinstrichige Malereien auf Baumrinde aus dem abgelegenen Nordosten.

Für viele Aborigines erwies sich die Malerei als Segen. Sie garantiert tausenden Künstlern und ihren Gemeinden ein Einkommen. Menschen, die oft abhängig von der Wohlfahrt waren, erhielten so wieder Hoffnung. Jetzt wäre es nur noch gut, würden die Aborigines im selben Maß vom Erfolg ihrer Kunst profitieren wie Sammler und Galeristen. Zwar erhalten gute Künstler heute meist mehr als 60 Euro pro Bild. Den dicken Profit aber machen noch immer Weiße.

URS WÄLTERLIN