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Ein Stern mit Dreckspuren

Noch-Daimler-Chef Jürgen Schrempp hinterlässt neben einer gescheiterten Welt-AG auch eine Affäre um Bestechung und Verkäufe auf dem grauen Markt

VON HANNES KOCH

Warum DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp zum Jahresende zurücktritt, will das Unternehmen bislang nicht erläutern. Es ist ein Mysterium: Da gibt einer der bestbezahlten und exponiertesten Spitzenmanager der deutschen Wirtschaft ganz und gar branchenunüblich seinen Vorstandsvorsitzendenposten ab – ohne ein Wort des Lobs, ohne Abfindung und die ihm zustehende Bezahlung bis Vertragsende. Weder rückt er in den Aufsichtsrat ein, noch wird er zum Berater geadelt.

Vielleicht möchte der Jürgen die Seele baumeln lassen. Vielleicht haben sich nach Dutzenden verlorener Milliarden seine Widersacher im Konzern und am Kapitalmarkt durchgesetzt. Vielleicht aber hängt ein kleiner Teil der Antwort auch mit einer Korruptionsaffäre zusammen, über die man bei DaimlerChrysler nicht gerne spricht.

Bei dem Skandal geht es um den Verkauf von Mercedes-Limousinen mit Rabatt ins Ausland, so genannte Geschäfte am grauen Markt. Aber auch Ermittlungen verschiedener Staatsanwaltschaften wegen Untreue und Bestechlichkeit von DaimlerChrysler-Mitarbeitern spielen eine Rolle. Gegen 17 Personen laufen Verfahren, wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart gestern mitteilte. Mehrere hochrangige Mercedes-Manager haben deshalb bereits ihre Posten verloren.

Die Affäre kam in Gang, weil der ehemalige Daimler-Vertriebschef Eckhard Panka – zum Jahresende 2004 musste er gehen – ein wenig übertrieben hatte. Um das Haus seiner Freundin auf Mallorca herzurichten, soll er Beschäftigte der Bauabteilung des Unternehmens eingesetzt haben. Auch Flüge dieser Mitarbeiter auf die Ferieninsel habe Panka über den Konzern abgerechnet. Ferner untersucht die Staatsanwaltschaft die Beziehung Pankas zu dem Bauunternehmer Franz Attinger. Dieser soll laut Medienberichten einerseits kostenlose Bauleistungen unter anderem für Panka erbracht haben. Andererseits verdächtigt ihn die Staatsanwaltschaft offenbar, Mercedes-Mitarbeiter bestochen zu haben, um Fahrzeuge für den Verkauf auf dem grauen Markt zu erhalten. Attinger bestreitet das.

Graumarktgeschäfte funktionieren so: Um die Verkaufzahlen zu steigern, geben Vertriebsleiter oder Mercedes-Niederlassungen große Mengen von Fahrzeugen – bis zu einige tausend – mit hohem Rabatt an Zwischenhändler weiter. Diese verkaufen die Wagen dann im Ausland billiger, als sie bei den dortigen Mercedes-Vertragshändlern angeboten werden – und machen wegen des Rabatts trotzdem noch einen Gewinn. Diese Graumarktgeschäfte sind an sich nicht illegal. Kriminell werden sie erst, wenn Untreue und Bestechung ins Spiel kommen, wie es in der aktuellen Affäre der Fall zu sein scheint.

Aber auch davon abgesehen stellen diese Geschäfte ein Problem für den Konzern dar. Widersprechen sie doch den internen Regularien, die den Verkauf im In- und Ausland ausschließlich den Vertragshändlern zuweisen. Trotzdem werden Graumarktgeschäfte laufend praktiziert – mit Wissen der Konzernleitung, wie immer wieder vermutet wird. In diesem Sinne erstattete ein Graumarkthändler im März Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage gegen Schrempp-Nachfolger Dieter Zetsche. Dieser habe vor Gericht irreführenderweise erklärt, er wisse nichts von Graumarktgeschäften. Ein Verfahren gegen Zetsche hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht eröffnet.

Sollte sich herausstellen, dass die Graumarktgeschäfte doch mit Segnung der Konzernspitze ablaufen, droht Ungemach vonseiten der Europäischen Union. Das Recht, ein Netz von Exklusivhändlern zu unterhalten, ist als gewinnträchtiges Privileg und Ausnahmeregelung zugunsten der Automobilhersteller festgeschrieben. Unterläuft ein Konzern diese Regelung selbst, könnte die EU das System der Exklusivhändler infrage stellen und den Produzenten damit wirtschaftliche Probleme bereiten.

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