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Archiv-Artikel

Segeln ans andere Ufer

Am Wochenende fand auf dem Wannsee die erste schwul-lesbische Regatta Deutschlands statt, organisiert von der Segelgruppe des Vereins „Vorspiel“. Der Wettkampf mit 50 TeilnehmerInnen sollte auch ein politisches Signal setzen

„Es ging uns vor allem um ein politisches Signal“, sagt eine Organisatorin„Hier fühle ichmich frei und relaxed“, sagt ein Teilnehmer

VON KATHI PREPPNER

Conny Gerlach segelt eigentlich schon immer. Sie stammt aus einer Familie, in der sich ein großer Teil des Lebens auf Jollen und Jachten abspielt. Trotzdem hielt sich die Berlinerin lange Zeit für eine Ausnahme: „Ich dachte, dass es auf der ganzen Welt viele segelnde Männer gibt und ein paar segelnde Frauen. Aber segelnde Lesben? Da kannte ich keine zweite.“ Dann lernte sie Segelgruppe des lesbisch-schwulen Sportvereins Vorspiel kennen. „Da waren gleich über 30 lesbische Frauen, die super segeln können.“ Bislang fehle ihnen nur eine wirkliche Lobby.

Die erste lesbisch-schwule Segelregatta Deutschlands, die an diesem Wochenende auf dem Wannsee ausgetragen wurde, soll das ändern. „Es ging uns vor allem um ein politisches Signal“, sagte Conny Gerlach vom Organisationsteam. „Wir wollten die Regenbogenfahne über ’m Wannsee wehen sehen.“ Ein besonders großes Exemplar flatterte am Samstag und Sonntag auf dem Motorboot, das mit gut 20 Fans und FreundInnen der SportlerInnen deutlich überbesetzt war.

48 TeilnehmerInnen aus London, Paris, Hamburg, Köln und Berlin kämpften am Wochenende um den Wanderpokal. Auch AnfängerInnen waren willkommen. Es zählte nämlich nicht nur die sportliche Leistung; die witzigste Aktion – in die Wertung kam etwa das zeitlupengleiche Kentern zweier Berliner Seglerinnen – wurde ebenso prämiert wie das beste Kostüm: zwei Piratinnen, die mit Bewaffnung, Schatzkiste und Schokogoldtalern angereist waren, gehörten dabei zu den Favoriten.

In Pichelsdorf an der Segelschule Havel legten die – ebenfalls mit Regenbohnenfahnen versehenen – zwölf Jollen der SeglerInnen ab. Über den unter der Sonne glitzernden See ging es bis zur Startlinie. Die Fans im Zuschauerboot jubelten und klatschten, bis die Teams ihre dreieinhalb Runden zurückgelegt hatten. „Das war ein perfekter Wind, richtig stabil“, freute sich Birgit Deininger-Kabisch. Zusammen mit Inez Eichner als Steuerfrau hatte sie im vergangenen Jahr den Euro Gay Cup in Paris gewonnen.

Eins war allen TeilnehmerInnen gemeinsam: die Begeisterung für den Segelsport. „Das ist wie fliegen“, sagt Inez Eichner. Sie liebt es, auf dem Boot zu sein und den Wind zu spüren. Neben dem Spaß am Segeln ist es ihr aber auch wichtig, die Lobby der lesbischen und schwulen SeglerInnen zu vergrößern. Viele würden sich in traditionellen Vereinen nicht outen, weil sie als SeglerInnen ernst genommen werden wollen. „Manche Vereinsmitglieder denken, da kommt jetzt die Tucke und reißt sich den Fingernagel ein“, schildert Eichner ein gängiges Vorurteil. „Oder sie sind perplex, weil die beiden Frauen, die zusammen segeln, auch miteinander ins Bett gehen. Trotzdem segeln die aber ernsthaft.“

Hochgezogene Augenbrauen hat auch Klaus Jansen aus Berlin schon öfters gesehen. „Ich bin Mitglied in einem sehr traditionellen Verein. Da laufen einige gediegene Menschen mit viel Geld für große Jachten herum. Mittlerweile sind in diesen Clubs auch immer mehr Homos unterwegs. Es macht Spaß, anderes Leben in diese traditionellen Vereine zu tragen.“ Dort seien nämlich bestimmt 10 Prozent der Mitglieder homosexuell, schätzt Conny Gerlach. Doch das werde von den Mitgliedern kaum wahrgenommen.

„Es ist schwer, sich zu outen“, sagt Conny Gerlach. „Gerade beim Segelsport. Da stechen Männer miteinander in See und verbringen Wochen auf engstem Raum. Wenn der eine dann sagt, dass er schwul ist, fühlt sich der andere vielleicht unwohl.“

Die SeglerInnen von Vorspiel wollen sich nicht abgrenzen, sondern vielmehr ein Zeichen setzen. „Die lesbisch-schwule Segelgruppe soll eine Ergänzung zu den traditionellen Clubs sein“, sagt Kirsten Blanke vom Organisationsteam. „Hier können wir Sport in einem Umfeld betreiben, wo wir uns in unserer ganzen Persönlichkeit frei fühlen.“ Das findet auch Michael Webster. Der Londoner war am Wochenende zum ersten Mal in Berlin. „Es ist toll, Gleichgesinnte aus anderen Ländern zu treffen“, sagt er. „Hier fühle ich mich frei und relaxed.“