das wetter:
Tändeleien
In seiner karg bemessenen Freizeit schrieb Tjard Wilbur tiefgehende, verhaltens- und gesellschaftskritische Gedichte. Er eiferte damit einer Familientradition nach, die sein Urgroßvater Coolman Wilbur Anfang des 20. Jahrhunderts begründet hatte. „Wilburs Weisheiten“ standen einst auf jedem Bücherbord und etablierten die Nähkästchen-Lyrik in der breiten Öffentlichkeit. Uropa Wilbur brachte es auf elf Bände, bis er eines Tages unerwartet bei einer Lesung in einem Bordell an einer Herzattacke starb. Sein Werk blieb eine unerfüllte Verpflichtung für spätere Generationen, Coolmans unbedingten Willen zum Erfolg erreichte Tjard nie. Der im Selbstverlag erschienene schmale Band mit „Tjards Tändeleien“ blieb eine bibliophile Randerscheinung und erwies sich als nahezu unverkäuflich. „Ohne Schleim kein Reim“ wurde Tjards einziger bekannter Aphorismus.
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