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Archiv-Artikel

Nicht nur links und selten revolutionär

Die wirtschaftspolitischen Forderungen der Linkspartei sind von der Verteilungsfrage aus gedacht. Und sie sind keineswegs nur „altlinks“, wie vielfach behauptet – woanders werden sie zum Teil längst umgesetzt. Revolutionär sind die folgenden Forderungen allerdings auch nicht.

Konjunkturprogramm

Die Linkspartei fordert ein „großes öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm und den Ausbau öffentlicher und sozialer Dienstleistungen“. Ziel sind ein „sozial und ökologisch gesteuertes Wirtschaftswachstum“ und letztlich eine Million neuer Arbeitsplätze. Investiert werden soll vor allem in die „ökologische Modernisierung und Sanierung“, also in öffentlichen Personenverkehr, Wasserver- und -entsorgung, in Stadtsanierung und Wärmedämmung von Gebäuden, den Aufbau Ost und in Bildung und Forschung. Die neuen Arbeitsplätze wären nach den Vorstellungen der Linkspartei zunächst vor allem im öffentlichen Bereich anzusiedeln, wo sie das staatliche Dienstleistungsangebot verbessern sollen.

Woher kennt man das? Groß angelegte staatliche Konjunkturprogramme in Krisenzeiten werden gern mit dem Namen des liberalen Wirtschaftstheoretikers John M. Keynes verknüpft. Oder in Deutschland mit CDU-Altkanzler Ludwig Erhard und seinem „Wohlstand für alle“. Das aktuellste Beispiel dürften aber die USA sein. Diese haben auf die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im Jahr 2000 mit größeren staatlichen Eingriffen (vor allem in Rüstungsbereich) reagiert. Die Investitionen nahmen um 17 Prozent zu – fast so stark, wie sie in Deutschland zurückgeschraubt wurden. Der öffentliche Konsum stieg um 12,4 Prozent, die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten um 3,9 Prozent. Ergebnis: Das US-Wirtschaftswachstum liegt bei 3,5 bis 4 Prozent, das deutsche bei um die 1,6 Prozent.

Steuerkonzept

Die Finanzkrise des Staates ist für die Linkspartei kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem: Um die Politik wieder handlungsfähiger zu machen, braucht sie mehr Geld – und das darf nicht immer stärker nur von den abhängig Beschäftigten kommen. Deshalb basiert ihr Steuerkonzept auf vier Pfeilern: Konzerne und andere profitable Unternehmen sollen wieder deutlich mehr Steuern zahlen, Steuerschlupflöcher für Vermögende und Großverdiener werden geschlossen und Spekulationsgewinne steuerpflichtig. Der Spitzensteuersatz steigt auf 47 Prozent, Gering- und Mittelverdiener werden entlastet. Reiche zahlen Vermögen- und eine höhere Erbschaftsteuer.

Woher kennt man das? Dass die Steuerquote in Deutschland nur noch bei knapp über 20 Prozent liegt, haben auch Ökonomen längst als Problem identifiziert – auch wenn die den Mainstream beherrschenden dabei auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer setzen. Das Linkspartei-Konzept entspricht dagegen dem der „Solidarischen Einfachsteuer“, das das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die Gewerkschaft Ver.di und Wirtschaftswissenschaftler im vergangenen Jahr entwickelt haben.

Jährliche Lohnanpassung um 3 Prozent

Kernproblem der kriselnden Wirtschaft in Deutschland ist nach Einschätzung der Linkspartei die Binnennachfrage, die wegen der Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre immer weiter nachlasse. Die Lösung: „Die Einkommen müssen zumindest im Gleichschritt mit den Preisen und den wachsenden Produktionsmöglichkeiten steigen“, heißt es im Wahlprogramm. Konkret bedeute das: „mindestens drei Prozent mehr“.

Woher kennt man das? Die Forderung geht auf die Formel zurück, dass sich die Löhne in dem Maße erhöhen sollten, wie die Summe aus Produktivitätsfortschritt und Inflation steigt – nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind das durchschnittlich 3 Prozent. Außer den Gewerkschaften machen sich auch Wirtschaftswissenschaftler für diesen Maßstab stark. Prominentestes Beispiel in jüngster Zeit: der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Dass die Löhne in Deutschland volkswirtschaftlich gesehen insgesamt zu niedrig sind und vor allem zu wenig wachsen, hat kürzlich auch die der Gewerkschaftsnähe völlig unverdächtige Europäische Zentralbank in ihrem Mai-Monatsbericht bekräftigt: Danach entwickeln sich die Lohnstückkosten, also die Löhne minus der Steigerung der Produktivität, hierzulande sogar negativ – und bringen damit das innereuropäische Gleichgewicht auf Kosten anderer Länder ins Wanken. Allerdings sind die Löhne in Deutschland Sache der Tarifparteien und nicht der Politik.

BEATE WILMS