: Ein neuer Rhythmus fürs Museum
Von Amsterdam nach Köln: Andreas Blühm, neuer Leiter des Wallraf-Richartz-Museums, fordert mehr Mut ein
Seine erste Handlung war demonstrativ. Nachdem Andreas Blühm am 1. Juli als neuer Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums/Fondation Corboud angetreten war, hielt er die Türen zum Platz mitten in der Altstadt weit geöffnet. Auf 118.000 waren die Besucherzahlen des Kunsthauses mit Gemälden aus dem Mittelalter, der Barockzeit und dem 19. Jahrhundert im vergangenen Jahr gesunken. Für den neuen Chef ist das auch eine Frage der Ausstrahlung. „Die Fassade hat etwas Strenges“, kommentiert er die Architektur des Ende der 90er Jahre vom Kölner Architekten Oswald Mathias Ungers gebauten Museums. „Und die Eingangshalle ist zwar groß und schön, aber kühl.“ Drei Jahre hat sich Blühm gegeben, um die Besucherzahl zu verdoppeln.
Der Abschied von Amsterdam fällt dem 46-Jährigen schwer. „Ich wollte Amsterdam nicht verlassen, sondern bin rein aus Karrieregründen nach Köln gekommen“, gibt er zu. Zwölf Jahre hat er beim weltbekannten Van-Gogh-Museum Ausstellungen gemacht, darunter besucherträchtige wie „Van Gogh und Gauguin“ im Jahr 2002. Jetzt übernimmt der Nachfolger des pensionierten Museumsleiters Rainer Budde nicht nur erstmals die Verantwortung für ein Museum, sondern auch für ein breiteres Kunstspektrum von sechs Jahrhunderten.
Doch die „Remigration“ nach Deutschland bereitet dem promovierten Kunsthistoriker mehrfach Stress. Neben den bürokratischen Hürden muss er auch die mentalen nehmen. „Das Ausland hat mich verändert“, stellt er fest. „Die Holländer sind sehr pragmatisch veranlagt. Wenn etwas nicht funktioniert, sind sie in der Lage, alle halbe Jahre ein Museum umzukrempeln.“
Frischen Wind erhofft sich die Kölner Kulturpolitik jetzt von Andreas Blühm. Mit seinem Amtsantritt wagt die Stadt erstmals den Schritt, ein städtisches Museum in eine gemeinnützige GmbH umzuwandeln – weil zu wenig Geld in der öffentlichen Kasse ist. Als möglicher Mitgesellschafter kommt der Stifterrat des Museums in Frage, in dem einflussreiche Kölner sitzen, die das Haus bislang finanziell unterstützt haben. Allerdings lässt der Streit um den möglichen Einfluss der Stifter, die im Aufsichtsrat am liebsten eine Mehrheit hätten, Blühm bislang kalt. „Ich bin verblüfft über die Angst, die Kritiker des neuen Modells mir hier einreden wollen.“ Der Einfluss des Stifterrates werde hochgespielt. „Die Betriebsführung soll selbstständiger werden. Darum geht es“, betont der neue Museumsleiter.
„In Deutschland ist der Ruf nach dem Staat und der Wunsch nach Kontrolle immer noch tief verankert“, kritisiert Blühm, „die Überlegungen hier gehen nicht im Ansatz so weit wie in den Niederlanden.“ In den ehemals 13 Nationalmuseen des Landes, die in Stiftungen überführt wurden, treffe die großen Entscheidungen der Aufsichtsrat. Nur alle vier Jahre kontrolliere der Staat das Museum, werde der Haushalt neu aufgestellt. „Das ermöglicht viel Freiheit und eine langfristige Planung.“
Dass Blühm alles andere ist als ein Bürokrat, bekräftigt ein Beobachter aus dem Umfeld des Museums: „Als Typ wirkt er spannend, offen und dynamisch. Er bringt Fähigkeiten mit, die hier nicht vorhanden waren.“ Zu oft werde das Museumspersonal „mit den Füßen nach vorne rausgetragen“, kritisiert der neue Direktor. „Die Leute sollten öfters wechseln, auch über die Landesgrenzen hinaus. Dann sehen sie, dass man Dinge anders machen kann.“
Ortswechsel hat der gebürtige Berliner genug vorzuweisen. Er wuchs in Bremen auf, studierte in Berlin und Tübingen Kunstgeschichte, Neuere Geschichte und Klassische Archäologie, arbeitete vor seinem Job in den Niederlanden an Museen in Lübeck und Regensburg.
„Ich weiß genau, was ein Museum zu tun hat. Das ist seit 200 Jahren dasselbe“, zeigt sich Blühm selbstbewusst: ein interessantes Programm mit guten Wechselausstellungen gestalten, die einen Bezug zum Bestand haben. „Dieses Haus hat unglaubliche Schätze, eine zentrale Lage und ein neues Gebäude“, erklärt er. „Man muss sich nicht erst damit befassen, die Regenrinne zu reparieren.“ Neben einer besucherfreundlicheren Gestaltung des Museums etwa durch Hinweisschilder will sich Blühm jetzt der inhaltlichen Arbeit widmen. Und das bedeutet neben der Konzeption von Ausstellungen für ihn, bei jedem Bild zu überlegen: „Was machen wir aus diesem Schatz?“ Eine besondere Beschriftung, die Kontrastierung mit einem anderen Objekt – auf jedem Museumsstockwerk soll etwas passieren. Bislang sei alles auf einer „Tonhöhe“. Blühm aber will „Rhythmus“ ins Museum bringen. ISABEL FANNRICH
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