: Gratis verzockt
DADDELN Mit klassischen PC-Spielen lässt sich kaum mehr Geld verdienen. Die Branche, die sich jetzt in Köln trifft, wird Opfer der eigenen Umsonstkultur
BERLIN taz/dapd/dpa | Microsoft und Nintendo sind gar nicht erst nach Köln gekommen. Sie gehören zu den umsatzstärksten der Spielebranche, die zu Beginn der Messe Gamescom schlechte Neuigkeiten verkraften müssen: Bisher ging der Umsatz der Spieleindustrie stets nach oben, jetzt scheint damit Schluss zu sein. Ein Grund ist der maue Markt für Konsolenspiele. Ein weiterer: Es spielen so viele wie noch nie, zahlen wollen immer weniger.
Die vielleicht größte Herausforderung für die Branche sind boomende Kostenlos-Spiele im Netz. Wie mit Gratis-Games über Werbung, Premium-Zugänge oder den Verkauf von virtuellen Gegenständen Geld verdient werden kann – darüber rätseln die Entwickler selbst. In Deutschland soll der Umsatz mit Spielen und Konsolen in diesem Jahr um 100 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro sinken.
Von einem tiefgreifenden Wandel der Industrie ist beim Bitkom die Rede. Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) rechnet mit einer Stagnation in 2012. Die deutschen Spielehersteller bleiben vom Schwächeln ihrer Branche nicht unberührt: Ende April musste etwa mit dtp entertainment einer der größten Spielehersteller Insolvenz anmelden.
Wie die Branche mit der Kostenlos-Kultur, verstärkt durch soziale Netzwerke und Smartphones, umgehen soll, weiß sie selbst noch nicht. Spieleentwickler konstatierten eine hohe Fluktuation – viele spielen nur ein paar Runden Probe. Zugleich berichteten die Experten von der abschreckenden Wirkung verbindlicher Kaufangebote, etwa für Premiumzugänge.
Eine Bitkom-Umfrage zeigt, wie wichtig inzwischen die Umsonstspiele sind. Demnach nutzen 63 Prozent der Spieler kostenlose Angebote im Internet, 41 Prozent spielen sogar ausschließlich gratis. Klassische Spielehersteller haben es schwer, gegen diesen Trend zu bestehen. Einige der Großen versuchen nun, auf diesen Zug aufzuspringen. Ubisoft will künftig einen Teil seines Umsatzes von knapp einer Milliarde Euro auch mithilfe von zunächst kostenlosen Spielen generieren.
Auch auf den Trend zu mobilen Spielen über das Handy springen die Spiele-Giganten erst jetzt auf – viele wohl nur widerwillig, weil es ihrem kalkulierbaren Kerngeschäft mit edlen Datenträgern und Liebhaber-Konsolen zuwiderläuft. So bemängelte Sony zum Beispiel beim Unterwegs-Spielen stets den kleinen Bildschirm und die unpräzise Steuerung über den Touchscreen. Die hauseigene Playstation liefere da eine ganz andere Spielqualität. Nun will Sony selbst einige seiner Klassiker für Smartphones herausbringen: Ab Herbst soll der Dienst Playstation Mobile auf diversen Android-Geräten laufen. Laut der Unternehmensberatung Deloitte spielt inzwischen jeder dritte Handynutzer in Deutschland mit dem Mobiltelefon. WENDELIN SANDKÜHLER