berliner szenen
: Noch schneller an der Kasse

Ein wenig war ich zuletzt genervt von dem Subgenre der Corona-Betrachtungen, in dem von Hamsterkäufen und anderem auf den analen Charakter „der Deutschen“ geschlossen wird. Die schlechtesten Eigenschaften würden durch die neuartige Krankheit befeuert, dünn sei der Firnis der Zivilisation und dergleichen. Betrachtungen über Hamsterkäufe sind ein dankbares Thema und lassen sich gut bebildern. Komisch, dass in den Läden oft ein einzelnes Exemplar der begehrten Ware stehen gelassen wird.

Obgleich ich jeden Tag einmal in einem von den vier Supermärkten innerhalb meines Aktionsradius bin, war mir kaum etwas aufgefallen. An dem Tag, an dem Bodo Ramelow in Thüringen Höcke den Handschlag verweigerte, der Bundestag den Ellenbogengruß empfahl und der Stammeschef Kura Moeahu in der neuseeländischen Hauptstadt mitteilte, dass die Maori wegen Corona auf ihren traditionellen Nasengruß – den Hongi – in nächster Zeit verzichten würden, sah ich zum ersten Mal eine Atemmaske – nicht auf dem Gesicht eines Mitmenschen, sondern auf der Straße liegen.

Dann gab es endlich auch bei Netto die Genrebilder, die man bis dahin nur aus den Medien gekannt hatte. Gespenstisch leer waren ein paar Regalmeter, drei vierlagige Bündel Toilettenpapier hielten noch die Stellung. Eine einzige Kasse war geöffnet, die Schlange davor lang. Vor mir war eine Frau mit 40 Packungen Katzenfutter.

Die Kassiererin war gestresst und forderte die Frau auf, ihre Sachen in den Einkaufswagen zu packen. Die Frau verstaute die Sachen aber in ihrem Hackenporsche, zügig, doch die Kassiererin war schneller. Ein Schoko-Sahne-Becher fiel auf den Boden und ging kaputt. „Ich hab doch gesagt, sie sollen die Sachen in ihren Wagen packen“, schimpfte die Kassiererin. Detlef Kuhlbrodt