: Nicht verhandeln, Widersprüche nutzen
ATELIER Der Senat will mit seinen Immobilien stadtentwicklungspolitische Akzente setzen. Dieser Anspruch kollidiert mit der Praxis des Liegenschaftsfonds. Der Künstler Klaus Winichner schlägt deswegen Krach
VON RONALD BERG
Klaus Winichner ist ein Mensch, der sich ärgern kann. Da hat er nun schon ein wunderschönes, riesig großes Atelier in Innenstadtnähe und beschwert sich trotzdem über undichte Dächer, nicht zu öffnende Türen oder verschmutztes Leitungswasser. In gewisser Weise ist er als Künstler doch privilegiert. Wer unter den vielen Kollegen hat schon 300 Quadratmeter zur Verfügung, um darin seinen künstlerischen Neigungen nachzugehen?
Bei Winichner äußern sich diese in Gestalt lebensgroßer Figuren aus Beton und großformatiger Portraitzeichnungen. Da ist sein Atelier im Parterre eines gar nicht mal so alten DDR-Plattenbaus ideal. Günstige Lage an der Prenzlauer Promenade in Pankow, rückseitig ein parkartiger Garten, Winichner kann mit dem Auto direkt vor die Ateliertüre fahren. Dass die Türe nicht komplett zu öffnen ist, um seine Betonmenschen heraus zu transportieren, darf man das bei so vielen Vorteilen erwarten? Zumal, wenn dieses kleine Paradies Winichner gerade einmal 700 Euro warm im Monat kostet? Winichner beschwert sich, zahlt wegen der Mängel im Haus die ihm auferlegte Kaution nicht und schreibt böse E-Mails an seinen Vermieter, die er gleich noch als Kopie („CC“) in alle Welt hinausposaunt.
Auch dem Vermieter ist inzwischen der Kragen geplatzt. Winichner hat eine Räumungsklage bekommen. „Das geht mir am Arsch vorbei“, sagt dazu der Künstler. Ja, er könne seinen Vermieter sogar verstehen. Es ist der Liegenschaftsfonds des Landes Berlin. Er betreut das zigtausend Quadratmeter große Objekt. Früher diente es einigen Abteilungen der Akademie der Wissenschaften als Unterkunft. An den Türen der vielen leerstehenden Bürokabuffs kann man immer noch Aufschriften lesen wie: „Prof. M. J. – Frühmittelalterliche Schriften d. westl. Indien“. Dass Winichner hier sein Atelier nutzen kann, verdankt er unter anderem dem Bezirksamt Pankow, das den Liegenschaftsfonds gebeten hatte, an Künstler zu vermieten.
Ruf der Kulturmetropole
Winichner ist als Zwischennutzer in dem weiträumigen Bau nicht allein. Es gibt dutzende andere, sehr viel kleinere Ateliers, in denen Studenten der Kunsthochschule Weißensee arbeiten. Große Teile des Gebäudes aber – Klaus Winichner schätzt „vorsichtig 3000 Quadratmeter“, der Liegenschaftsfonds äußert sich zur Größe des Gebäudes nicht – befinden sich in beheiztem Leerstand. Wenn er von Verwahrlosung und Leerstand im Haus erzählt, wird der bayerische Zungenschlag des 45-Jährigen, der aus der Altöttinger Geburtsstadt geblieben ist, noch lauter: Warum denn nicht gleich das ganze Haus als Atelierhaus betreiben? Berlins Ruf als lebendige Kulturmetropole, mit dem sich die Politiker brüsten, beruhe doch darauf, dass viele Künstler aus der ganzen Welt in der Stadt lebten und arbeiteten. Da müsse sich doch Berlin auch die Überlassung eines Atelierhauses zu günstigen Konditionen an die Kreativen leisten können.
Das steht allerdings den Absichten des Liegenschaftsfonds entgegen. Dessen Aufgabe ist es schließlich, vom Land nicht genutzte Grundstücke und Immobilien zu verkaufen, um den Berliner Schuldenhaushalt zu entlasten. Auch das Objekt Prenzlauer Promenade soll irgendwann verkauft werden. Hier könne bezahlbarer Wohnraum entstehen, heißt es von Seiten des Liegenschaftsfonds. Der alte Plattenbau müsste dann abgerissen werden. Die Entsorgung dieser Altlast erschwert die Vermarktung des Grundstücks. Auch die Lage an der vielbefahrenen Ausfallstraße und das hässliche Gewerbegebiet vis à vis mindern die Attraktivität der Immobilie. Ob und wann der Liegenschaftsfond das Objekt zum Verkauf ausschreibt, ist derzeit fraglich.
Zurzeit geht es bei der Prenzlauer Promenade also um eine Zwischennutzung. Und es geht um den Beispielcharakter, wie Berlin mit seinen Künstlern umgeht, meint Winichner. Statt – wie bisher üblich – den Liegenschaftsfonds meistbietend zu verkaufen zu lassen, hatte es sich der jetzige Senat auf die Fahnen geschrieben, mit seiner treuhänderischen Immobilienverwaltung soziale und stadtentwicklungspolitische Akzente zu setzen. Grundstücke sollten für Wohnungsbau mit billigen Mieten zur Verfügung gestellt werden, Zwischennutzer würden nach sozialen und kulturellen Kriterien bedacht.
Winichner hat ein Jahr gekämpft, um dem Liegenschaftsfonds die Einlösung dieser Versprechen abzutrotzen und die ehemalige Kantine des Akademiegebäudes nur für die Betriebskosten auf drei Jahre befristet mieten zu können. Klar, dass er sein Atelier nicht gerne räumen möchte. Wegen der Klage macht er sich keine großen Sorgen. Den Prozess gewinne er.
Für seine Vision vom Erhalt der Prenzlauer Promenade als Künstlerhaus sieht Winichner den Liegenschaftsfonds gar nicht als eigentlichen Antipoden an, obwohl dieser inzwischen 7,50 Euro von Neumietern im Haus verlangt. Das ist de facto weder von Kunststudenten noch von den meisten Künstlern zu bezahlen. Dennoch ärgert sich Winichner viel mehr über Politiker, die Konflikte scheuen.
An dieser Stelle wird Winichners Streit mit dem Liegenschaftsfonds allgemein interessant: Denn was die Politik als Lippenbekenntnis zum Besten gab, kollidiert mit der Wirklichkeit beim Umgang des Liegenschaftsfonds mit seinen Immobilien. Mit bloßen Absichtserklärungen von Seiten der Regierung verändert man die gewohnten Strategien und Ziele beim Liegenschaftsfonds nicht. Und die heißen in der Regel maximaler Veräußerungsgewinn.
Genau hier setzen Klaus Winichners etwas ungewöhnliche Methoden an, die Sache in seinem Sinne zu ändern. Oberster Grundsatz des Künstlers: „In die Enge treiben, nicht verhandeln.“ Dazu gilt es erstens Schwachstellen in der Argumentation des Gegners aufzuzeigen und Widersprüche auszunutzen. Die SPD beispielsweise, meint Winichner, habe eine Schwäche für moderne Kunst und für die Gruppenausstellung „Based in Berlin“ 1,3 Millionen Euro versenkt. Gleichzeitig lasse sie es zu, dass den Künstlern bezahlbare Ateliers als Arbeitsgrundlage „unter dem Arsch weggezogen“ werden. Die zweite Taktik Winichners besteht darin, Parteien gegeneinander auszuspielen. So hätten ihm Politiker der Linken schon geholfen. Wahrscheinlich nicht zuletzt, um sich gegen die SPD zu profilieren. Winichners dritte Waffe ist das Herstellen von Öffentlichkeit. Dazu werden nicht nur regelmäßig dutzende von Adressaten mit E-Mails bombardiert, sondern es gibt auch öffentliche Veranstaltungen in seinem Atelier. Eine ganze Vortragsreihe „Über Kommunismus“ hat Winichner kreiert. Zu den Referenten zählten bereits Kultursoziologen, Unternehmensberater oder auch der taz-Autor Helmut Höge.
Eine Schrottimmobilie
Am heutigen Sonnabend ist es wieder soweit. Vortragen wird Florian Schöttle, der allerdings Wert auf die Feststellung legt, dass er nicht in seiner Funktion als Atelierbeauftragter des Berufsverbandes bildender Künstler Berlin auftreten wird, sondern als Privatmann. Dennoch steht Schöttle auch als Privatier, als Mitglied der Linken und als Enkel einer Mitbegründerin der KPD auf Seiten der Künstler. In Sachen Prenzlauer Promenade befürwortet er die Zwischennutzung. Aber das Haus sei „eine Schrottimmobilie“, das habe er für den BBK geprüft.
Schöttle wird über „Syndikalistische Selbsthilfe und Selbstorganisation als politische Praxis“ sprechen. Hier scheint es also eine fundamentale Alternative zu den Methoden von Winichner zu gehen, um den Künstlerinteressen in den gegebenen kapitalistischen Verhältnissen Geltung zu verschaffen. Auf die Diskussion darf man gespannt sein – und ob sich Winichner wieder ärgern wird.
■ Florian Schöttle spricht am Samstag, 18. August, 19 Uhr im Atelier Undine Goldberg/Klaus Winichner Prenzlauer Promenade 152. Eingang über den Garten, Arnold-Zweig-Straße, Aufgang E