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Archiv-Artikel

Wenn der Senator erzählt

Widersprüchliche Ankündigungen des Senats im Halbstundentakt. Wirtschaftsbehörde will Gewerbeflächen auch im Umland schaffen, der Stadtentwicklungssenator zählt 66 Flächen auf, deren Nutzung die Grünflächen der Stadt schützen würde

von Sven-Michael Veit

Es gibt Tage, da kann einen dieser Senat in Erstaunen versetzen. Gestern sogar im Halbstundentakt. Da präsentierte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) vor der Landespressekonferenz im Rathaus vermeintlich das wirtschaftspolitische Ei des Kolumbus, um die engen Grenzen des Stadtstaates hinauszuschieben. Und nur 30 Minuten später legt sein Parteifreund und Stadtentwicklungssenator Michael Freytag einen Konversionsbericht vor, der 66 brachliegende und einer neuen Nutzung harrende innerstädtische Flächen dokumentiert. Für SPD-Fraktionschef Michael Neumann Anlass, das „unabgestimmte Agieren des Beust-Senats“ zu kritisieren.

„Meine Aufgabe ist es, Wachstum zu fördern“, verkündete zunächst Uldall, und präsentierte sein Rezept. Mit nur 4,7 Millionen Euro für eine „Logistikinitiative“, verteilt auch noch über fünf Jahre, wolle der Senat binnen eines Jahrzehnts „bis zu 14.000 neue Arbeitsplätze“ im Logistikbereich schaffen. Ein Gutachten einer Wirtschaftsberatungsfirma habe nachgewiesen, dass das möglich sei, erzählte Uldall. Mittels der Logistikinitiative solle „der Standort Hamburg international offensiv kommuniziert“ werden, um weitere Unternehmen aus Schifffahrt, Transport und Speditionen sowie Kurierdienstleister in die Hansestadt zu locken.

Ein Problem gebe es zwar, aber das lasse sich lösen, strahlte der Senator zuversichtlich. Hamburg werde „die Nachfrage nach Gewerbeflächen nicht in vollem Umfang befriedigen können“. Deshalb wolle er „mit Partnern aus der Metropolregion kooperieren“, um im Zweifel dort Flächen für Firmenansiedlungen anbieten zu können. „Es ist besser, ein Unternehmen geht nach Norderstedt als nach Darmstadt“, verkündete Uldall.

Natürlich wolle er „keine Ansiedlungspolitik für Niedersachsen oder Schleswig-Holstein machen“, versicherte er auf Nachfragen. Aber auch ein Unternehmen „direkt hinter der Landesgrenze“ habe gewisslich „eine positive Ausstrahlung“ auf Hamburg – Arbeitsplätze, Bedarf an Dienstleistungen, Nutzung von Kulturangeboten etwa. Es sei zwar schade, räumte er ein, wenn eine Firma ihre Gewerbesteuer in Lüneburg oder Pinneberg ins Stadtsäckel zahle statt in Hamburg. „Aber wir dürfen nicht mehr in engen Stadtgrenzen denken“, erläuterte Uldall seine Abkehr von einstiger Kirchturmpolitik, „sondern müssen in Wirtschaftsräumen denken.“

Sprach‘s und räumte seinen Stuhl im Pressesaal des Rathauses für Stadtentwicklungssenator Michael Freytag, der von seiner erfolgreichen Fahndung nach freien Flächen in Hamburg zu berichten wusste. 66 Gelände von Bundeswehr, Bahn oder Post, zusammen 727 Hektar, zählt sein erster „Konversionsbericht“ auf, den er gestern präsentierte (siehe Kasten).

Genug Platz, um nach erfolgter Umwandlung etwa 7.500 Wohnungen zu errichten sowie reichlich Büros und Gewerbe anzusiedeln, versicherte Freytag. Und mehr als ein Drittel davon läge auch noch „in einem Radius von nur fünf Kilometern“ um das Rathaus herum. Das sei, freute er sich, „ein hohes Potenzial an Flächen in guten Lagen“, das genutzt werden könne, „ohne Grün- und Freiflächen anzutasten“. Denn schließlich sei Hamburg ja „eine der am dünnsten besiedelten Großstädte der Welt“.

In etwa einem Jahr sollen alle Areale erfasst und Schwerpunkte für deren künftige Nutzung erarbeitet worden sein, kündigte Freytag an.

Vielleicht sollte er bis dahin auch mal mit dem Wirtschaftssenator drüber sprechen.