Arbeitslos macht depressiv

BerlinerInnen ohne Job sind doppelt so oft psychisch erkrankt wie Arbeitende. Das zeigt die Studie einer Krankenkasse. Die Diskrepanz ist in den vergangenen Jahren sogar noch deutlich gewachsen

VON TANIA GREINER

Arbeitslosigkeit macht depressiv. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, der gestern veröffentlicht wurde. In der Studie wurden die Krankheitsdaten von 168.000 Berliner Arbeitnehmern und Arbeitslosen in den Jahren 2000 bis 2004, die bei der TK versichert sind, ausgewertet.

Danach sind in Berlin Arbeitslose doppelt so oft von depressiven Verstimmungen betroffen wie Berufstätige. Vier Tage im Jahr meldet sich ein Arbeitsloser im Durchschnitt wegen einer psychischen Störung krank. Berufstätige bleiben hingegen im Schnitt nur an zwei Tagen jährlich aus den gleichen Gründen ihrem Arbeitsplatz fern. Vor fünf Jahren waren die Arbeitslosen noch deutlich besser drauf. Damals hatten sich Joblose nur an 3,6 Tagen wegen einer Depression krankgemeldet. Die Zahl entsprechender Krankmeldungen bei Berufstätigen sank im gleichen Zeitraum hingegen um 7 Prozent. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, sei oft ein Grund, die Krankmeldung zu meiden, so Heike Weinert, Sprecherin der TK-Landesvertretung Berlin-Brandenburg. „Die Studie zeigt deutlich, dass hohe Arbeitslosigkeit eine wesentliche Ursache für depressive Störungen ist“.

Dennoch hat die Untersuchung der Krankenkasse aber auch ein gute Nachricht für die Menschen ohne Job. Denn Arbeitslosigkeit macht zwar depressiv. Wo es aber extrem viel Erwerbslose gibt – in Berlin waren Ende Juli 19,4 Prozent betroffen –, können die sich fast schon wieder unter ihresgleichen und damit wohler fühlen. „In Regionen, wo die Arbeitsmarktsituation günstiger ist, können sich Arbeitslose schnell ausgegrenzt fühlen“, erklärt Weinert. So könne auch dort bei den Betroffenen ein psychischer Druck entstehen.

Das belegen auch die Zahlen der Krankenkasse: Bei psychischen Erkrankungen liegt Berlin insgesamt fast 50 Prozent über dem Bundesschnitt. Die Berliner Arbeitslosen sind hingegen etwas weniger betroffen als ihre Leidensgenossen im Rest der Republik. Anders gesagt: In wirtschaftlich besser gestellten Gegenden ist die Diskrepanz zwischen Arbeitenden und Joblosen noch deutlich größer.

Laut der Studie der Techniker Krankenkasse führen bei Berliner Berufstätigen und Arbeitslosen insgesamt Erkrankungen des Bewegungsapparates, psychische Störungen und Atemwegserkrankungen am häufigsten zu Krankmeldungen.

Die TK sieht in den vorgelegten Ergebnissen ein deutliches Zeichen für Handlungsbedarf. „Wir können aus den Zahlen den Bedarf nach speziellen Gesundheitsprogrammen für Arbeitslose ableiten“, so Heike Weinert. Die Studie erlaube zwar lediglich Vermutungen, zeige aber dennoch Tendenzen auf. Bislang lägen zum Thema zwar keine detaillierten wissenschaftlichen Studien vor. Die Techniker Krankenkasse plane dennoch zukünftig gezielte Maßnahmen für Arbeitslosen. Auch in Betrieben, die vom Konkurs bedroht seien, sollten gesundheitsfördernde Angebote verstärkt angeboten werden.