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Archiv-Artikel

BARBARA BOLLWAHN über ROTKÄPPCHEN Baden mit Badusan, Badusan, Badusan

Werbung? Ist mir völlig egal, da kann sie noch so lautlos daherkommen, sogar schleichen

Werbung geht mir total am Arsch vorbei. Wenn ich Slipeinlagen brauche, dann kaufe ich mir irgendwelche, weil ich meine Höschen sauber halten will, und nicht weil mir der Hersteller verspricht, ich könnte damit fliegen. Deshalb kann ich dieses ganze Gedöns um die Schleichwerbung auch nicht so richtig verstehen.

In meiner Kindheit war ich natürlich noch nicht so abgeklärt. Monatelang habe ich zusammen mit meinen zwei Schwestern einen Werbespruch aus dem DDR- Fernsehen nachgesungen. Weil es nicht so viele gab, konnten wir bald alle auswendig. Mit Begeisterung trällerten wir „Baden mit Badusan, Badusan, Badusan“. Unser absoluter Favorit war „AKA Elektrik, in jedem Haus zu Hause“. So lautete der flotte Spruch des volkseigenen Betriebes, der die sozialistischen Haushalte mit Stabfönen, Allesschneidern, Kontaktgrills und anderen nützlichen Geräten versorgte.

Mitte der Siebzigerjahre war plötzlich Schluss mit „AKA Elektrik, in jedem Haus zu Hause“. Die Werbesendung „TTT“, nicht zu verwechseln mit dem Westkulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“, wurde eingestellt. Ein Ministerratsbeschluss besiegelte das Ende der „Tausend Tele Tips“, weil ohnehin nicht mehr so viel Neues auf den Markt kam, was man hätte bewerben können. Damit verschwanden auch die vielen praktischen Lebensweisheiten, die in den „Tele Tips“ verkündet wurden und die sicher dem einen oder anderen Bürger das Leben retteten. So wie der toll gereimte Spruch vom Deutschen Hygiene-Museum: „Wer bastelt, seinen Garten harkt, schützt sich vor einem Herzinfarkt.“

Es muss an diesem plötzlichen Vakuum gelegen haben, dass ich anfällig wurde für Produkte aus dem Westfernsehen. Besonders ein Shampoo mit Apfelgeruch hatte es mir angetan. Als in einem Westpaket zwischen Kaffee und Strumpfhosen solch ein Shampoo zum Vorschein kam, konnte ich es kaum erwarten, mir damit die Haare zu waschen. Doch bevor es so weit war, lag ich ewig in der Wanne rum und roch gierig an der Flasche. Als ich, berauscht von dem Geruch nach knackig-grünen Äpfeln, die Augen schloss, war ich drauf und dran, das Shampoo zu trinken, so sehr lief mir das Wasser im Munde zusammen. Jetzt kann ich es ja sagen: Ich konnte nicht widerstehen und habe einige Tropfen probiert. Leider schmeckte es nicht so, wie es roch.

Viele Jahre später, ich war immer noch etwas unsicher in meiner Entwicklung, steckte ich meine ersten Ostzigaretten in eine leere Westschachtel. Es war eine Schachtel dieser Marke, die früher einsame Cowboys am Lagerfeuer in Gegenwart ihrer Pferde rauchten. Ich fand das total cool. Zumindest eine Zeit lang. Bis ich meine damalige Klassenlehrerin, eine überzeugte Genossin, zu Hause besuchte.

Als ich im Flur ihrer Neubauwohnung stand, zweifelte ich an ihrer Eignung für die Partei. Auf der Kommode standen dutzende Haarspraybüchsen vom Klassenfeind, aufgereiht wie eine kleine Armee. In einem unbeobachteten Moment nahm ich eine davon in die Hand. Sie war leer. Ich dachte, dass sie sich den letzten Rest vielleicht am Morgen in die Haare gesprüht hatte, und nahm eine andere Büchse in die Hand. Doch auch die war leer. Ich schüttelte alle Büchsen durch. Sie waren alle leer.

Ich konnte es nicht glauben, dass sich eine erwachsene Frau aus leeren Produkten, die sie nur aus dem Fernsehen kannte, ihren eigenen kleinen Wind-und-Wetter-Altar errichtete. Seitdem habe ich nie wieder meine Ostzigaretten in eine Westschachtel gesteckt. Jetzt ist bei mir drin, was draufsteht.

Den Werbespruch aus meiner Kindheit „AKA Elektrik, in jedem Haus zu Hause“ singe ich heute zwar nicht mehr vor dem Einschlafen. Doch noch immer leistet mir ein mit einer unverwüstlichen Robustheit gesegneter „AKA Kontaktgrill“ gute Dienste. Neulich vergaß ich, den Stecker rauszuziehen, nachdem ich Brot getoastet hatte.

Zwei Tage später bemerkte ich das Malheur, weil es plötzlich so heiß war, als ich mit meinem Arsch vorbeiging. Aber ich hatte ja schon gesagt, dass mir Werbung am Arsch vorbeigeht.

Fragen an die Werbung? kolumne@taz.de Morgen: Helmut Höges AGRONAUTEN