: Einer für wirklich alle
SÜDAFRIKA Der Non-Profit-Kanal Cape Town TV will die Zivilgesellschaft stärken, Bürgern eine Stimmen geben und eine kritische Öffentlichkeit schaffen. Doch das Projekt ist gefährdet, es fehlt an Geld für den Sendebetrieb
AUS KAPSTADT JAN KAGE
Nicole Turner steht, Mikrofon in der Hand, mit einem Kameramann auf einem belebten Platz im Herzen Kapstadts und sammelt Passantenstimmen. Es geht um die von der regierenden Democratic Alliance geplante Verbannung von Graffitis aus der Stadt. Turner und ihr Kollege halten das für Unsinn. Sie arbeiten für Cape Town TV, ein öffentliches Bürgerfernsehen.
Zusammen mit acht vollzeitbeschäftigten Mitstreitern und zahlreichen Helfern baut die aus Johannesburg ans Kap gezogene Turner auf Selbstausbeutungsbasis den Sender auf. Sie wollen eine unabhängige Plattform etablieren, für Politik, Kultur, Sport, Kurzfilme, Wirtschaft, Bildung und sogar Religion.
Die Senderzentrale von Cape Town TV befindet sich unweit der Innenstadt im Stadtteil Observatory, auf einem Gelände mit Film- und TV-Produktionen, Agenturen und Werkstätten. In einem 100-Quadratmeter-Raum sitzt ein knappes Dutzend Mitarbeiter vor Computern. In einer Ecke steht ein Fernseher, ohne Ton läuft das aktuelle Programm, die Liveübertragung eines lokalen Breakdance Battles. Hinter der Küche liegt der weiß gekachelte Schnittraum.
2006 wurde CTV von mehr als 100 NGOs gegründet, im September 2008 begann der Sendebetrieb. Auf einer Frequenz, die sämtliche Haushalte im Umkreis von 100 Kilometern umfasst, werden etwa 2,5 Millionen Zuschauer erreicht. Die NGOs wählen auch den CTV-Vorstand, der über die Inhalte wacht. Gesendet wird 24 Stunden, wobei etwa ein Viertel des Programms täglich neu erstellt wird: ein Mix aus eigenproduzierten Features, rechtefreiem Material aus dem Internet und täglich zwei Stunden internationalen Nachrichten, die von Al Dschasira zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich kann jeder Kapstädter Beiträge einreichen, solange sie nicht Hass verbreiten oder Alkohol und Glücksspiel bewerben.
Mit seinem Programm verfolgt CTV hehre Ideale: Es geht dem Sender um die Stärkung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte, die Schau lokaler Talente, den freien Zugang zu Information und um eine Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger, ihre eigenen Geschichten und Entwicklungen in der Gemeinde erzählen zu können.
CTV arbeitet nicht profitorientiert, muss aber seine Kosten decken. Zum Teil geschieht dies durch öffentliche Förderung, zum Teil durch Werbung und Sponsoring. Allerdings ist die Finanzierung des Sendebetriebs eine heikle Sache. Zum einjährigen Geburtstag wurden dem jungen Sender nun vorerst ein Großteil der Frequenzen gestrichen. Der Vorsitzende Martin Jansen erklärt, man müsse der nationalen Sendefrequenzbehörde Sentech trotz der nichtkommerziellen Ausrichtung die vollen Gebühren zahlen. „Es gibt keine günstigeren Tarife für allgemein nützliches Gemeindefernsehen.“ CTV ist in Verzug.
Für ihren Graffiti-Beitrag hat sich Nicole Turner in eine Bahnanlage unweit des CTV-Gebäudes begeben. Ihr Team filmt die Bilder des Kapstädter Sprühers Midus. Um zu den Schienen zu gelangen, muss man sich durch Zaunlöcher zwängen, vorbei an einer Wellblech- und Bretterbehausung. Züge rauschen vorbei, Schüler hängen johlend aus den offenen Türen.
Turner erzählt von der Bedeutung des Graffitis in Zeiten der Apartheid: für die Verbreitung politischer Botschaften und als farbenfrohe Bereicherung der ärmlichen Townships. „Die Democratic Alliance will die Stadt für die Fußball-WM 2010 aufpolieren. Deswegen wollen sie Graffitis verbannen und den Armen verbieten, aus Mülltonnen recycelbares Material zu sammeln. Sie fahren eine armenfeindliche Politik.“ Mit ihrer Arbeit bei CTV versucht Turner dieser Politik etwas entgegenzusetzen: kritische Öffentlichkeit.
■ Cape Town TV ist auf Geld- und Sachspenden angewiesen Spendenkonto: CTV, Standard Bank, Kontonummer: 071359818, Bankleitzahl: 051001, Verwendungszweck: Friend of CTV