Milizensafari in der Savanne

An den Grenzen der Zentralafrikanischen Republik zu Tschad und Kamerun führen mehrere Armeen Krieg gegen „Banditen“. Jetzt entwickelt sich eine Flüchtlingskrise

BERLIN taz ■ Die Rückkehr der Zentralafrikanischen Republik zu einem halbwegs demokratischen Staatswesen bringt dem Land keinen Frieden. Seit sich Präsident Francois Bozizé, der sich 2003 an die Macht geputscht hatte, dieses Jahr in Wahlen bestätigen ließ, fliehen immer mehr Menschen in das Nachbarland Tschad. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR meldete dort allein in der vergangenen Woche 1.200 Neuankömmlinge. Schon davor zählte es dort 30.000 zentralafrikanische Flüchtlinge.

Die Menschen fliehen aus einer Region, in der seit Jahren bewaffnete Reitermilizen mit flexibler politischer Loyalität die Bevölkerung terrorisieren. Genannt „Zaraguina“, werden diese Milizen von manchen Beobachtern mit den Janjaweed-Milizen im sudanesischen Darfur verglichen. Offiziell eher als Straßenbanditen denunziert, wie es sie in allen Ländern der Region bis nach Nigeria gibt, tauchten sie in der Zentralafrikanischen Republik zuerst Ende der 80er-Jahre auf. 2001–03 schlossen sie sich den Aufständischen des heutigen Präsidenten Bozizé an, als dieser gegen seinen Amtsvorgänger Ange-Felix Patassé eine von Tschad militärisch unterstützte Rebellion startete. Nach seinem Sieg im März 2003 beendete Bozizé die von Patassé verfolgte Annäherung der Zentralafrikanischen Republik an Libyen und führte das Land wieder in seine traditionelle Rolle als Freund Frankreichs zurück; aber seine Regierung ist finanziell nicht in der Lage, arbeitslose Bürgerkriegskämpfer zu versorgen.

So suchen die Milizen eigene Einkommensquellen. Berichten eines Augenzeugen zufolge, die der taz vorliegen, haben die „Zaraguina“ seit 2003 begonnen, gezielt muslimische Hirtenvölker aus dem Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik zu vertreiben – um das Land eventuell für Bergbauprospektion freizumachen. Die Gegend ist gold- und diamantenreich und grenzt direkt an den ölreichen Süden des Tschad an. „Die Milizen sind mit modernsten Schnellfeuergewehren und Satellitentelefonen ausgerüstet“, heißt es in einem der Berichte. „Sie sagen, dass sie nichts zu befürchten hätten und nicht bestraft würden.“ Sie hätten regelmäßig Kinder des muslimischen Bororo-Volkes gegen hohes Lösegeld entführt, für dessen Entrichtung die Hirten ihr Vieh verkaufen müssten. Somit ihrer Lebensgrundlage beraubt, seien fast alle Bororo nach Kamerun geflohen. Dies diene auch dazu, Muslime aus dem lukrativen Grenzhandel zu vertreiben.

Erst nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl vom 1. Mai 2005 begann Bozizé, gegen die Milizen vorzugehen. Am 3. Juni begann ein Armeefeldzug gegen „Straßenräuber“ im Norden der Zentralafrikanischen Republik. Als diese nach Tschad flohen, habe die dortige Armee sie ebenfalls angegriffen, berichtet ein anderer Augenzeuge unter Berufung auf Militärquellen. Zeitgleich habe die zentralafrikanische Armee eine zweite Operation gegen die Zaraguina-Milizen begonnen. „Die Bevölkerung sah sich also in die Zange genommen und floh in die nächsten Orte auf der tschadischen Seite der Grenze“, heißt es.

Den Höhepunkt erreichten die Kämpfe am 5. Juli, als die zentralafrikanische Armee die Basis der Zaraguina-Milizen bei Sagani im äußersten Westen des Landes aushob. Sie meldete hinterher 36 tote „Rebellen“ und 50 befreite Geiseln, darunter 20 Kinder. Militärs aus Kamerun und französische „Berater“ aus Tschad nahmen an der Aktion teil.

Seitdem werden jedoch weitere Milizenangriffe gemeldet, die zu neuen Fluchtbewegungen führen. UN-Helfer im Tschad haben damit große Probleme, denn es herrscht Regenzeit, die Fluchtorte haben keine Infrastruktur und sind äußerst schwer zu erreichen. Das UNHCR verlagert nun Flüchtlingsfamilien aus der Grenzregion in UN-Lager tiefer im Landesinneren. Aber ihre Plätze werden sogleich von neuen Flüchtlingen eingenommen. DOMINIC JOHNSON