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Prospekte verhindern Projekte

Das neue „Prospektgesetz“ soll die Anleger schützen. Doch sind die Vorgaben so bürokratisch, dass viele Alternativprojekte dabei scheitern könnten, Geld für ihre Initiativen einzusammeln. Jetzt suchen die Projekte nach fantasievollen Auswegen

VON SUSANNE GÖTZE

Für alternative Projekte ist es nun noch schwerer, an Geld zu kommen. Denn „das neue „Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz“ verlangt, dass Unternehmen nur noch Mittel von Anlegern einsammeln dürfen, wenn sie eine Genehmigung der Bundesagentur für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erhalten. Dies gilt auch für gemeinnützige Organisationen. Will etwa ein Projekt einen Fonds auflegen, muss jetzt erst mal ein „Prospekt“ angefertigt werden. Der ist von der Bafin zu prüfen und soll die Anleger umfassend informieren. Darin müssen unter anderem Betreiber, Art des Fonds, letzte Bilanz sowie Investitionsvolumen deklariert werden. „Die Prospekte sind ein ungeheurer kaufmännischer und verwaltungstechnischer Aufwand für kleinere Projekte“, bemängelte Werner Landwehr von der GLS-Gemeinschaftsbank. Ohne professionelle Hilfe seien die Chancen sehr gering, die Genehmigung der Bafin zu erhalten. Dabei sei der Anlegerschutz eigentlich „eine gute Sache“, erklärt Landwehr.

Denn Kreditbeziehungen zwischen Unternehmen und Privathaushalten gelten als riskant, wenn keine Bank beteiligt ist. Wer das neue Gesetz ignoriert, kann mit Bußgeldern bis zu 500.000 Euro rechnen. Den Alternativprojekten bleibt daher höchstens noch, „Ausnahmetatbestände“ zu nutzen. So sei kein Prospekt erforderlich, klärt Landwehr auf, wenn die anzulegende Summe innerhalb von 12 Monaten unter 100.000 Euro bleibe oder das Geld im engen Bekanntenkreis (bis 100 Personen) eingesammelt wird. Allerdings darf dann nicht öffentlich geworben werden – worauf die gemeinnützigen Projekte jedoch angewiesen sind. Dennoch plädiert Landwehr nicht dafür, die Ausnahmen im Prospektgesetz auszuweiten: „Dann hätten Betrüger und Spekulanten wieder mehr Spielraum.“

Wie effektiv die Prospektpflicht Anleger schützt, ist allerdings umstritten. Bernd Steyer vom der Beratergenossenschaft Oekogeno bezweifelt die angeblichen Fortschritte: „Die Betrüger können weitermachen, nur mit staatlicher Genehmigung“. Denn die Bafin-Prüfung sei rein formell, Inhalte würden nicht zur Kenntnis genommen. „Dubiose Spekulanten können sich anders als die kleinen Einrichtungen auch die Wirtschaftsprüfer leisten, um die Prospekte zu erstellen“, schimpft Steyer. Er geht davon aus, dass viele alternative Projekte verhindert werden. Doch die Szene lasse sich nicht unterkriegen: „Wir sind dabei, uns Umgehungsstrategien auszudenken.“ So wurde darüber nachgedacht, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kombiniert mit einer mbH zu gründen. Diese atypische Rechtskonstruktion gelte dann als „Vollhaftergesellschaft“, bei der nur ein einziger Prospekt anzufertigen sei. Diese könne dann als Blaupause wiederverwendet werden, so Steyer. Praktisch erprobt ist diese Methode aber noch nicht.

Auch die „Bewegungsstiftung“ experimentiert, die mit ihrem „Protestsparen“ ebenfalls unter das neue Anlegerschutzgesetz fällt. Die Stiftung will zur Bundestagswahl Darlehen von Unterstützern einsammeln und für vier Jahre in ökologisch orientierten GLS-Sparbriefen fest anlegen. Der Zinserlös soll dann 100 Tage nach der Wahl öffentlichkeitswirksam an soziale Projekte vergeben werden. Kampagnenkoordinator Oliver Wiedmann hofft nun, dass die Kampagne pünktlich startet. „Wir sind verschiedene Optionen durchgegangen, haben uns aber für einen Prospekt entschieden“, berichtet Wiedmann etwas resigniert. Dank einem Rechtsanwalt und nach einer aufwendigen Einarbeitungsphase könne der Prospekt demnächst bei der Bafin eingereicht werden. Bleibt abzuwarten, ob er genehmigt wird.

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