Schlacht um den Tempelberg

JERUSALEM Nach Gewalt zwischen Juden und Muslimen, ausgelöst durch ein israelisches Betverbot für muslimische Männer auf dem heiligen Berg, befürchtet Israel eine Eskalation

Wenn es um das heilige Jerusalem geht, sind sich Hamas und Fatah einig

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Mit verstärktem Polizeiaufgebot in der israelisch besetzten Altstadt von Jerusalem bereiten sich die israelischen Sicherheitskräfte auf die für das Wochenende erwarteten neuen Zusammenstöße vor. Seit Tagen liefern sich dort Muslime und Juden heftige Straßenschlachten. 75 arabische Demonstranten, darunter viele Minderjährige, wurden vorübergehend festgenommen. Scheich Raed Salach, Chef der Islamisten im Norden Israels, musste in der Nacht zum gestrigen Donnerstag mehrere Stunden hinter Gitter und darf vorläufig die Heilige Stadt nicht mehr betreten.

In Jerusalem befürchtet man nun eine Ausweitung der Gewalt ins Westjordanland. „Wenn Israel uns vor die Entscheidung stellt, auf die Al-Aksa-Moschee zu verzichten oder zu Märtyrern zu werden, dann werden wir zu Märtyrern“, rief Scheich Salach seinen Anhängern zu. „Wir werden sterben und mit Gottes Hilfe gewinnen.“ Jordanien appellierte an Israel, das Besuchsrecht der Muslime für den Tempelberg nicht einzuschränken. Auf dem Berg befindet sich die Al-Aksa-Moschee, eines der wichtigsten Heiligtümer des Islam; am Berghang liegt die für Juden nicht minder heilige Klagemauer.

Angefangen hatte der Unmut mit einem eher routinemäßigen Verbot, das Israel während des jüdischen Laubhüttenfestes verhängte und das muslimischen Männern unter 50 untersagt, auf dem Tempelberg zu beten. „Stoppt die verbrecherische, grausame zionistische Unterdrückung unserer palästinensischen Brüder“, schrieb dazu die jüdisch-antizionistische „Neturei Karta“ auf Protestschilder.

Die in Gaza regierende islamistische Hamas droht, den Kampf solange fortzusetzen, bis „kein einziger Jude in der Nähe von Al-Aksa übrig bleibt“, während der palästinensische Premierminister Salam Fayyad von der moderateren Fatah Europa um Unterstützung bittet gegen die israelischen Versuche, Jerusalem zu „verjuden“. Auch die arabische Welt dürfe nicht zulassen, dass Israel Jerusalem komplett an sich reißt, appellierte die Autonomiebehörde. Wenn die Sprache auf die Heilige Stadt kommt, sind sich die zerstrittenen palästinensischen Fraktionen ungewohnt einig.

Ginge es nach Israels Vizepremier Silwan Schalom, würde die islamistische Bewegung in Israel komplett verboten werden. „Die Hetze und die Gewalt sind durch die versöhnliche Politik des Staates gegenüber der islamischen Bewegung erst ermöglicht worden.“ Die Polizei vermutet, dass die Unruhen organisiert waren. An mehreren Stellen in der Altstadt wurden Schubkarren voller Steine gefunden. Die letzten großen Auseinandersetzungen am Tempelberg ereigneten sich im Februar 2007 aus Protest gegen Bauarbeiten, die Israel in unmittelbarer Nähe zu den heiligen muslimischen Stätten vornehmen ließ.