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Archiv-Artikel

Kein Bier mehr beim Nazi-Wirt

Weil er von Anwohnern gemieden wurde und er sich mit seinen eigenen Leuten zerstritten hatte, muss der Rechtsextreme Dieter Kern wegen ausbleibender Gäste sein Landhaus in Heilshoop bei Lübeck wieder schließen

Für ihre Informations- und deutschnationalen Liederabende muss sich die NPD in Schleswig-Holstein eine neue Wirkungsstätte suchen. Ausgerechnet zu Wahlkampfzeiten schließt der als Nazi-Treffpunkt bekannt gewordenen Gasthof „Landhaus – Grill- und Bierstube“ in Heilshoop bei Lübeck.

Noch während der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr trafen sich hier Parteimitglieder und Neonazis noch zu Diskussionsrunden, Konzerten und Wahlkampfhelfertreffen. Jetzt bestätigt das Amt Nordstormarn, dass der rechtsextreme Pächter Dieter Kern sein Gewerbe zum 31. Juli abgemeldet hat.

Als „nicht unbedeutend für die Szene“ schätzte der Verfassungsschutz den Ort ein, stellte aber auch fest, dass die Geschäfte schlecht liefen. Auch beim Vermieter soll Kern über sinkende Besucherzahlen geklagt haben. Zum Verhängnis wurde dem Vorsitzenden des „Bündnis Rechts“ (BR) dabei wohl weniger, dass die Heilshooper nach Antifa-Protesten und Medienberichten ihr Bier lieber woanders tranken, sondern dass er sich mit den eigenen Leuten zerstritten hatte. Aus der Szene heißt es, er habe den NPD-Kreisvorsitz Lübeck-Ostholstein abgelehnt, woraufhin sein jüngerer Rivale Jörn Lemke das Amt übernahm. Noch zu den Kommunalwahlen 2003 war der wiederum zum Ärger Kerns mit der eigenen Wählergemeinschaft „Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck“ angetreten – die später der Landesinnenminister wegen „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ verboten hatte. Kerns Gasthof jedenfalls wird Lemke kaum für Parteievents empfohlen haben.

Die Heilshooper sind damit den unliebsamen Gastwirt auf elegante Weise wieder losgeworden. Als Kern im März 2004 das „Landhaus“ übernommen hatte, wollte der Eigentümer in der 650-Einwohner-Gemeinde nicht gewusst haben, wer sein neuer Pächter ist. Bürgermeister Wendelin Herbrand störte sich weniger an dem neuen Nazi-Treffpunkt als an den Antifa-Initiativen, die regelmäßig vor dem Gasthof demonstrierten und Flugblätter in der Gemeinde verteilten. „Wir empfinden das als Belästigung“, hatte er der taz gesagt.

Die Anwohner hingegen mieden – einmal daraufhin gewiesen, wer hinter dem Tresen stand – das Etablissement. Auch die Freiwillige Feuerwehr suchte sich einen neuen Stammtisch. Ein Vorhaben Kerns, vermutlich für größere Konzerte das Gebäude zu erweitern, Sicherheitstüren und Notausgänge einbauen, lehnte der Vermieter schließlich ab.

Andreas Speit