ärzte-streik : Ungerechte Verteilung
Ein Fünftel der Berliner ist offiziell arbeitslos, viele Hauptstädter schlagen sich mit (schein)selbständigen Jobs durch, die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger steigt weiter. Gleichzeitig ist Berlin hoch verschuldet, die Einnahmen decken die Ausgaben nicht, und die Beschäftigten beim Land und der BVG haben bereits deutliche Lohneinbußen hingenommen. Das sind die Rahmenbedingungen, die auch die Ärzte am Uniklinikum Charité nicht ignorieren können. Absurd ist hier deshalb eine Forderung, die bundesweit erhoben wird: deutlich höhere Ärztegehälter.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Sicher: Es ist das Recht aller Beschäftigten und Berufsgruppen, für bessere Einkommen und Arbeitsbedingungen zu streiken. Aber dass das bettelarme Berlin die Privilegien von Chefärzten finanziert – das muss nicht sein.
Zu Recht sind insbesondere die jungen Assistenzärzte sauer: Sie leiden besonders unter überlangen Arbeitszeiten und befristeten Jobs. Alle Beschäftigten – auch junge Ärzte – haben Anspruch auf humane Arbeitszeiten und eine angemessene Bezahlung. Die Lösung dafür muss in den Kliniken selbst gefunden werden – durch eine gerechtere Verteilung zwischen oben und unten. Mehr Geld für die Charité, immerhin zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt, kann Berlin unmöglich ausgeben.
Das Argument, junge medizinische Nachwuchskräfte – deren Gehälter in der Stadt überdurchschnittlich sind – könnten Berlin wegen schlechter Bezahlung verlassen, zieht nicht. Sollte es wirklich zu einem Ärztemangel in den städtischen Kliniken kommen, könnte die sehr teure Ärzteausbildung an die Verpflichtung gekoppelt werden, im Anschluss an das Studium eine Zeit lang hier zu arbeiten. Bei Trainee-Programmen in Unternehmen ist so etwas schließlich auch nicht unüblich.