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Archiv-Artikel

Spielerische Bestandsaufnahme

AUSSTELLUNG Die Jahresschau des Landesverbandes Bildender KünstlerInnen widmet sich vor allem der Druckgrafik und erlaubt sich doch allerlei Grenzüberschreitungen

Melone und Motor

Im Foyer der Städtischen Galerie läuft parallel zur Ausstellung „unter Druck“ – aber ohne Zusammenhang zu ihr – eine weitere Folge aus der Videokunstreihe, kuratiert von der Bremer Künstlerin Marikke Heinz-Hoek.

■ Gezeigt wird noch bis zum 9. September „Melone und Motor“ von Florian Japp. Das etwa zehnminütige, 2010 entstandene Werk besteht aus zwei parallel laufenden Bildern, die sehr gegensätzliche, aber im weiteren Sinne bildhauerische Arbeiten dokumentieren und dabei mit einer gewissen Poesie verbinden.

VON JAN ZIER

Jetzt also wieder mal Druckgrafik. Hm, denkst du zuerst, ist das nicht ein bisschen, sagen wir: old school? Jetzt nicht wegen der Erinnerung an mittelalterliche Holzschnitte, das vielleicht auch, sondern eher, weil so Drucksachen ja doch ein bisschen Sechziger und Siebziger sind. Du denkst an Andy Warhol, Robert Rauschenberg oder Richard Hamilton. „You can do things in print you can’t do in any other medium“, hat Letzterer mal gesagt, stimmt ja auch, aber das war halt auch schon 1998. Und hier sind wir bei der aktuellen Jahresausstellung des Bremer Verbandes Bildender KünstlerInnen (BBK). Ist aber weniger piefig, als man denken mag.

Das liegt an Richard Hamilton, der auch wieder hier hängt, aber mehr noch an Wolfgang Hainke, dem Kurator der Ausstellung, der selbst ein Künstler ist, 1987 auch auf der documenta in Kassel vertreten war und 1992 mal ein Projekt namens „Whale“ hier in der Städtischen Galerie gemacht hat, mit großen alten Künstlern wie Daniel Spoerri, Emmet Williams, und eben Hamilton, dazu ein paar unbekannteren. Es ging um ein riesiges Walbild von 1669, das heute wieder im Rathaus hängt. Aber das nur so am Rande, weil es hier in dieser Ausstellung zitiert wird, als historische Referenz des Kurators an sich selbst. Oder als Richtgröße?

Nein, „unter Druck“ funktioniert anders. Und ist auf jeden Fall, anders als Hamilton, unpolitisch. Überwiegend – aber auch nicht nur! – geht es hier um die Frage: „Wie buchstabiert man Druckgrafik heute?“ Die meisten der 23 hier vertretenen KünstlerInnen aus Bremen und umzu – eine Jury-Auswahl aus 64 – haben das Motto, zugleich die Aufgabenstellung dieser Ausstellung in einem ganz technischen Sinne verstanden. Und weniger inhaltlich, symbolisch.

Die Schau versucht einen Spagat zwischen beiden Interpretationen – das gelingt meist, wirkt aber nicht immer ganz stringent. Jedenfalls mag sich die Ausstellung dann doch nicht ganz auf den Versuch einer Bestandsaufnahme der Druckgrafik in digitalen Zeiten beschränken. Das verdankt sie vor allem Hainke. Der 67-jährige Kurator ist einer, der bei den präsentierten Werken „Bedeutungsschichten freilegen“ will. Aber dennoch „spielerisch“ bleibt, ja die Kunst „auch nicht überpädagogisieren“ will. Obwohl – oder gerade weil? – er mal Grundschullehrer gelernt hat. Lieber holt Hainke die Kunst vom Sockel, manchmal auch gegen den anfänglichen Willen des Künstlers, so wie bei Rainer Webers Installation „Krieg der Welten“, die auf einer Wärmelampe und Acrylharz basiert. Oder er befreit sie von der akuten Gefahr, hübsch ikealike zu einem bloßen Deko-Objekt zu verkommen: Benjamin Beßlichs „Appendices“ – Holzschnitte auf Glas mit Tiermotiven – sind deshalb nun nicht länger fein säuberlich auf Augenhöhe angeordnet. Sondern stehen lose am Bode, werfen Licht und Schatten. Und Fragen auf.

Johann Büsen, der mit einem knallbunten, comicartigen und collagierten Digitaldruck vertreten ist, hat er zu einer Art „Making of“-Film verleitet, der jetzt nebst zweier anderer Videos Büsens zu sehen ist. Sie verbinden Comic- und Musikvideo-Ästhetik. Gleich daneben hängen, aber sowas darf hier wohl nicht fehlen, großformatige Digitaldrucke mit minimalistischen, monochromen Rechtecken und Quadraten. Auch die Holzschnitte kommen zu ihrem Recht, zum Beispiel leicht ironisch gebrochen in einer Serie „Quakenbrücker Persönlichkeiten“. Dazwischen gibt es Radierungen, Kohlepapierzeichnungen, Fotografie und Kartoffeldruck. Es versinnbildlicht den Bedeutungsverlust des Analogen. Und ist wohltuend emanzipiert von der Kunst, die der Kunstmarkt befördert.

■ bis 9. September, Städtische Galerie, Buntentorsteinweg 112