: „Ich fahre Mercedes“
… sagt Bollywood-Produzent Ravi Chopra. Was das bedeutet, entschlüsseln Dorothee Wenner und Merle Kröger im Film „StarBiz“
„Jetzt haben wir ein Auto, aber keine Geschichte“, sagt Urmi Juvekar resigniert am Ende. Einen ganzen Film lang hat sie Drehbücher rund um den Mercedes ersonnen, aber kein Entwurf konnte sie überzeugen. Im Radio singt eine quietschige Stimme „Schlaf ein, meine Prinzessin“, und die Drehbuchautorin fährt in ihrem geliehenen Benz unter einem Schild mit der Aufschrift „der Weg zum Reichtum“ der Sonne entgegen.
Merle Kröger und Dorothee Wenner, die Macherinnen von „StarBiz“ hingegen, haben für ihren Film unzählige kleine und größere Geschichten gefunden. StarBiz ist eine Road-Doku. Ihre Protagonistin, Urmi Juvekar, macht sich auf, den Mythos Mercedes in der indischen Gesellschaft zu entschlüsseln und trifft unterwegs Menschen, die leidenschaftlich mit dem dreizackigen Stern verbunden sind. So entsteht eine Reihe von Momentaufnahmen. Und es entsteht ein Film über Luxusoasen in Entwicklungsländern.
„Wenn du einen ‚Merc‘ fährst, dann hast du das Gefühl, es geschafft zu haben“, erklärt Ravi Chopra, einer der Großen der Bollywood-Industrie. Chopra selbst hat „es geschafft“. Er hat das indische Nationalepos Mahabharata in Serienformat verpackt und Amitabh Bachchan einen der Größten im indischen Show-Biz unter Vertrag. Und selbstverständlich fährt auch Chopra Mercedes: einen seriösen für tagsüber und einen roten Sportwagen für abends, das ist er seiner Publicity schuldig. „Bollywood“, erklärt er, „ist Projektionsfläche für die Träume und Ziele der Menschen. Und die erwarten von mir einen repräsentativen Lebensstil.“
Mercedes dient zur Abgrenzung gegen das Elend, manchmal im buchstäblichen Sinne. Anna Maria Huber, Frau des Geschäftsführers von DaimlerChrysler Indien, spricht vor allem davon, wie man diesem lauten, unordentlichen Indien entgehen kann. „Manche indische Menschen“, erzählt sie beim Interview vor dem Pool, „haben die Kinder auf ihrem Weg zur Schule immer durch die Scheiben der M-Klasse angestarrt.“ Gott sei Dank kamen die Hubers auf die Idee, das Glas zu tönen, um solche Ein- und vermutlich wohl auch Ausblicke künftig zu verhindern.
Mercedes ist in Indien Sinnbild für westlichen Luxus, den zu erreichen längst ein höchst indischer Wert geworden ist. So stehen die Karossen von DaimlerChrysler nicht für deutsche Technik, Präzision oder gar westliche Werte. Sie sind vielmehr die Insignien der eigenen nationalen Elite oder zumindest derer, die so verstanden werden wollen.
Demzufolge wehrt sich auch Urmi Juvekar aus Bombay, die als Vertreterin einer neuen Generation angesehen werden möchte, den ganzen Film über gegen die Macht des Sterns. In ihren Plotentwürfen geht sie gegen das indische Image von Mercedes an. „Ein Mann ist von einem Mann getötet worden, der einen ‚Merc‘ fährt, sein Sohn …“ Außerdem, sagt sie, verhärte Mercedes, wenn er in Filmen auftaucht, die gängigen Geschlechterklischees. „Das ist ein Männerauto. In keinem Film fährt eine Frau Merc.“ Und überhaupt: „Das beste Auto für Indien ist der Shaktiman Truck der Armee.“
Vinay Choudary – „jemand, der dir erklärt, warum etwas, was dir gefällt, dir nicht gefallen sollte“, wie Juvekar ihn einführt – sieht DaimlerChrysler als ein Beispiel dafür, wie Indien die Global Players absorbiert und sie in die eigene Kultur integriert. Choudary findet, dass der Mercedes im Grunde nur noch zu älteren Männern passt. Als Juvekar ihn vor seinem Haus abholt, erklärt er ihr, dass sie mit diesem Auto unmöglich jemanden zu einem Date abholen könne. „Du hast immer schon Männer eingeschüchtert, aber damit hast du jetzt den Vogel abgeschossen.“
Und so ist „StarBiz“ auch ein Film über eine neue Generation von Indern der Großstädte, die sich irgendwie von den Werten der 40-plus-Generation lösen möchte, aber so recht noch kein eigenes Modell gefunden hat. Deswegen kommt Juvekar auch mit ihren Plots rund um den „Merc“ nicht weiter.
So kritisch wie sie blicken nur wenige auf die Dekadenz. Ram Kisan Lal Yadar zum Beispiel hat sich, wie viele seiner Kollegen, kopierte Radkappen mit Mercedesstern an sein Taxi geschraubt, während er davon träumt, einmal Fahrer für einen Mercedesbesitzer zu sein. Und im prosperierenden Pune arbeitet der Schwabe Hans-Michael Huber schon längst nach dem indischen Prinzip der Familiendynastie: „Für ihn gibt es die E-Klasse, seine Frau fährt C-Klasse, und zum vierzigjährigen Firmenjubiläum will er eine S-Klasse für seinen Vater.“ JUDITH LUIG