: Humbug oder Segen?
Die Bioresonanztherapie bahnt sich ihren Weg in der Naturheilkunde und in Zahnarztpraxen. Kassen bezahlen sie nicht
Einem Pollenallergiker „gute Besserung“ zu wünschen, bringt meist nicht viel. Gerade in der warmen Jahreszeit darf wieder geniest werden. Schlimm für die Betroffenen, zumal die Pollenüberempfindlichkeit oft bloß der Einstieg in eine ganz normale Allergikerkarriere ist: Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Kontaktallergien oder Neurodermitis folgen später. Bei Allergien musste die Schulmedizin in der Vergangenheit häufiger passen, denn die Suche nach der Ursache für eine allergene Reaktion ist ein Detektivspiel eigener Art. Die Nase vorn hat dabei immer öfter die Naturheilkunde – nicht ohne Grund: in vielen Praxen vor allem von Heilpraktikern steht inzwischen ein Gerät, dem auf dem Gebiet der Allergiebekämpfung und bei infektiösen Erkrankungen Wunder nachgesagt werden.
Die Bioresonanztherapie, in den siebziger Jahren maßgeblich begründet vom Ingenieur Paul Schmidt und dem Arzt Dr. Paul Morell, hat eine neue Form der Diagnose und Therapie möglich gemacht, an deren Wirksamkeit sich noch die Geister scheiden.
Wer als Patient eine sagenhafte Kiste mit tausend Knöpfen und zwanzig blinkenden Kontrolllämpchen erwartet, wird enttäuscht sein, das Bioresonanzgerät ist eher unspektakulär: ein weißer Kasten mit einer Digitalanzeige. Mittels Elektroden, die an den Fuß-und Handgelenken befestigt werden, nimmt das Gerät Verbindung mit dem Körperinneren der PatientInnen auf. Schon nach kurzer Zeit zeigt das Display dem Therapeuten die Art der Gesundheitsstörung an. Laboruntersuchungen in Form von Stuhl-, Urin- und Blutproben sind danach meist überflüssig: Die Kiste weiß, warum der Allergiker niest oder die Patientin mit Fieber kämpft.
Klingt zu schön, um wahr zu sein? Technisch ist das Ganze auf jeden Fall verzwickt: „Die Bioresonanz versucht, mit Schwingungen die Regulationsmechanismen des Körpers anzuregen“, erklärt Diplom-Ingenieur Dietmar Heimes, der bei einem der führenden deutschen Hersteller an der Forschung auf dem Gebiet der Bioresonanz beteiligt ist. „Die Schwingungsbilder von gesunden und kranken Organen unterscheiden sich, das kann man messen.“ Genau das tut der Apparat. Mit Hilfe bestimmter Frequenzvergleiche ermittelt das Gerät, wo Schwingungsmuster vom Normalfall abweichen und mit welchen Medikamenten dagegen vorgegangen werden kann. Auch wenn ihre Kritiker die Methode als komplett wirkungslos verteufeln, sind immer mehr Praktiker von ihr überzeugt: Mehr als 15.000 Geräte sind weltweit im Einsatz. Auch in Bremen steht schon ein erstes.
Heilpraktiker Alexander Gosselk, der in einem Vorort einer niedersächsischen Kleinstadt eine Naturheilpraxis betreibt, arbeitet mit dieser bei vielen noch unbekannten Bioresonanztherapie. Die Untersuchungen, so meinen ihre Befürworter, sind schmerzfrei, zuverlässig und genau, und sie funktionieren nicht nur bei Allergien, sondern auch bei Infekten: „In der Tropenmedizin, wo wir es mit seltenen Erregern zu tun haben, wäre das ein unschätzbarer Vorteil,“ sagt Gosselk. Die Diagnosemethode hat sich inzwischen auch in Zahnarztpraxen einen Platz erobert. „Wir haben mit dem Bioresonanzgerät die Chance, die Materialverträglichkeit von bestimmten Werkstoffen schon vorab am Patienten zu testen“, meint Zahnarzt Doktor Ralf Lüttmann, der in Schleswig-Holstein eine Praxis betreibt. Er ist davon überzeugt, dass die Bioresonanz die Wundheilung unterstützen kann und mit ihrer Hilfe Allergieneigungen des Patienten – z.B. beim Einsatz von Implantaten – vorher getestet werden können. Er sieht allerdings auch Grenzen und Risiken, denn bei der Bioresonanz hängt viel von der Erfahrung und dem Fingerspitzengefühl des Therapeuten ab.
„Das Gerät gibt uns die Chance, bisher schwer zugängliche Informationen über den Patienten zu bekommen. Aber wir sollten nicht vergessen, das insbesondere beim chronischen Verlauf von Krankheiten der ganze Mensch therapiert werden muss – und nicht nur ein paar Symptome.“ Der ganzheitliche Ansatz und die umfassende Anamnese ist Alexander Gosselk auch sehr wichtig: „Die Bioresonanz ist ein Baustein der Behandlung – aber eben nur ein Baustein.“ Er setzt außerdem auf bewährte Verfahren der Naturheilkunde, wie Akupunktur und Homöopathie, die die Behandlung komplettieren. Schließlich kann auch das beste Gerät nur die Fragen beantworteten, die ihm richtig und vollständig gestellt werden.
Gosselk selbst hatte im Rahmen seiner Ausbildung zum Heilpraktiker ersten Kontakt mit der Methode, doch zum Pflichtprogramm der dreijährigen Ausbildung zukünftiger Heilpraktiker gehört die Bioresonanztherapie noch nicht. Therapeuten brauchen vor allem Geduld, denn die Methode ist oft zeitintensiv: In einigen Fällen müssen eine Fülle von Organinformationen abgefragt werden, bevor die Diagnose steht – einer der Gründe, warum viele Schulmediziner in Zeiten der Budgetierung des Gesundheitswesens womöglich auf den Einsatz des Geräts verzichten. „Die für eine konsequente Arbeit mit dem Bioresonanzgerät erforderliche Ruhe haben viele Ärzte aufgrund des Zeitdrucks gar nicht mehr, da ist eine intensive Untersuchung mit dem Gerät oft nicht möglich“, sagt Dietmar Heimes von Seiten der Gerätehersteller.
Auch die Krankenkassen halten sich noch zurück: Sie übernehmen die Kosten dieser Behandlung nicht. Für den Therapeuten kostet das Gerät nebst Zubehör an die zehntausend Euro. Auf die Frage, ob die Bioresonanz die Untersuchungsmethoden der Medizin früher oder später revolutionieren wird, lächelt Alexander Gosselk: „Das mag sein. Sie wird uns aber auf jeden Fall dabei helfen, unseren Blick für den Patienten als Einheit von Körper, Geist und Seele zu schärfen.“ Elke Schneefuß