Die zwei Gesichter des Purismus

So weit liegen Berliner Minimal Techno und New Yorker Hiphop gar nicht auseinander: DJ Premier in der Maria und Monolake im WMF wirkten am Donnerstag wie zwei Ausdrucksmöglichkeiten der gleichen Old-School-Sensibilität

Irgendeine unheimliche Berlin-Brooklyn-Allianz scheint in diesen Tagen am Werk zu sein. Nachdem ich vor gerade einmal zwei Tagen aus New York City hergezogen bin, bin ich noch einigermaßen verschlafen und durcheinander. Die Desorientierung liegt aber nicht etwa daran, dass Berlin so viel anders wäre als New York, im Gegenteil: Es ist so ähnlich.

Die Redaktionsräume der taz sehen genauso aus wie die der Village Voice. Gut die Hälfte der Bewohner von Prenzlauer Berg kommen einem vor, als seien sie noch am Morgen aus dem Brooklyner Hipsterstadtteil Williamsburg eingeflogen worden. Und was sehe ich auf einem Flyer in einem der trendigen Klamottenläden auf der Kastanienallee, die in etwa der Bedford Avenue in Williamsburg zu entsprechen scheint? DJ Premier spielt im Maria, straight outta Brooklyn. Zusammen mit Afrika Bambaataa, dem alten Repräsentanten der South Bronx.

Auch wenn mein Deutsch nicht das Beste ist: Die atemlosen Versprechen „dope Beats, punktgenaue Scratches, groovende Pianoloops und pumpende Bassdrums“ sind nicht so schwer zu verstehen. Amüsiert stelle ich fest, dass „Flow“ auf Deutsch „Flow“ auf Englisch ist – am Ende ist Hiphop eben die universelle Sprache. Afrika Bambaataa ist ohnehin die Fleisch gewordene Deutschland-New-York-Allianz, hat er doch seine ganze Karriere auf dem Stück „Planet Rock“ aufgebaut, seinem Kraftwerk-basierten Electro- und Hiphop-Blueprint von 1982.

Das Maria ist platzend voll. Der Warm-Up-DJ scratcht und spielt Old-School-Breaks aus der „Apache“-Liga. Es ist Zeichen der Langlebigkeit dieser Musik, dass sie immer noch in der Lage ist, Leute zu bewegen. Die meisten dieser Stücke kamen schließlich heraus, bevor die meisten Anwesenden das Licht der Welt erblickten. Erstaunlich auch, wie schlecht Hiphop-DJs ihre Platten behandeln: Ohne Hülle werden sie aufeinander gehäuft – Premier hält seine Maxis sogar mehrmals mit den Zähnen fest, während er in seiner Kiste kramt. Er rockt die Party mit dem jazzigen Neunzigerjahre-Hiphop, den er für Gang Starr produzierte – um einiges glatter und auf eine konventionelle Art und Weise soulorientierter als Crunksound, der Südstaaten-Hiphop, der heute die US-Charts beherrscht. Wunderbare Musik, auch wenn Premier einem seinen Auftritt durch wiederholtes Bestehen darauf, den „real Hiphop“ zu spielen, einigermaßen verleiden konnte. Das erinnerte fatal an KRS-One, bei denen Hiphop zuletzt den Unterhaltungsfaktor eines Kirchgangs hatte.

Also auf ins WMF-Sommerlager zur Record-Release-Party des neuen Monolake-Albums „Polygon Cities“. Wobei Monolakes Minimal Techno und Premiers Hiphop gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie man denken würde. Beide Entwürfe basieren auf schweren Bässen und Dancebeats, beide stehen für eine puristische Old-School-Sensibilität – für Premier ist es New Yorker Hiphop, für Monolake Detroiter Techno.

Der große Unterschied zwischen Berlin und New York ist, dass Monolake bei ihrem New Yorker Auftritt in einem kleinen Keller spielten. Das WMF dagegen ist rappelvoll, hunderte und aberhunderte von Leuten: Donnerstag um zwei Uhr morgens!

Als man drinnen ist, versteht man auch sofort, warum: Auf einem großen Soundsystem in einem großen Raum klingen Monolake weder minimal noch klinisch rein. Massiv hören sie sich an, allumfassend und markerschütternd. Ein schimmernder Groove, der sich unendlich auszubreiten und den schwarzen Himmel über dem WMF mit endlosem Klang zu füllen scheint.

GEETA DAYAL

Die Autorin arbeitet u. a. für die New Yorker Village Voice und ist für zwei Monate zu Gast in der Kulturredaktion der taz. Übersetzung: Tobias Rapp