: Das Schuljahr beginnt mit Provisorien
Am Montag treten die Schulreformen in Kraft. Vom viel diskutierten Chaos will Bildungssenator Böger nichts wissen
Für die Pressevertreter lagen gestern kleine Schultüten bereit, als Bildungssenator Klaus Böger (SPD) die große Schulreform vorstellte, die ab Montag in Kraft tritt. Sollte die Presse mit Süßigkeiten milde gestimmt werden? Klar ist, dass Böger versuchte, die Kritik zu widerlegen, die die Reform seit Wochen begleitet.
Viel ist geschrieben worden über die Baustellen an Grundschulen und über das Hauruckverfahren, mit dem zusätzliche Lehrer eingestellt wurden. Böger jedoch sieht „keinen Anlass zu Verunsicherung“, erkennt einen „klaren Aufbruch“.
Aber wie soll der aussehen? Was verändert sich genau? Die allgemeinbildenden Schulen führen ab Montag den Mittleren Schulabschluss nach der zehnten Klasse sowie das Zentralabitur ein. Dies soll die Qualität und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse steigern.
Die wichtigsten Reformen betreffen aber die Grundschulen. Waren im vergangenen Jahr von 408 Grundschulen 188 ohne Ganztagsbetreuung, werden dieses Jahr nahezu alle zu Ganztagsgrundschulen. Gleichzeitig gehen die kleinen Berlinerinnen und Berliner schon mit fünfeinhalb Jahren zur Schule.
Außerdem werden die flexible Schulanfangsphase und der jahrgangsgemischte Unterricht eingeführt. In einer Klasse können also zukünftig Fünfjährige neben Siebenjährigen sitzen. Unterschiedliche Lerntempi sollen so besser bedient werden. Neu an den Grundschulen ist das Fach Naturwissenschaften.
Am Reformkonzept wurde besonders kritisiert, dass es durch die Hortverlagerung an die Grundschulen zu Raum- bzw. Einrichtungsproblemen gekommen sei. Böger dazu: „An den betreffenden Schulen existieren Übergangslösungen. Da muss man sich schon mal auf Leihmöbel setzen.“
Peter Sinram, Sprecher der Berliner Erziehungsgewerkschaft GEW, erklärt: „In Herrn Böger jetzt den Bösen zu suchen bringt nichts. Der Umbau der Schulen ist Bezirksangelegenheit und wird durch Bundesmittel finanziert.“ Allerdings kritisiert die GEW die Hauruck-Einstellungen von Lehrern. „Angeblich meldeten die Bezirksämter dem Senator erst im Juni die genauen Schülerzahlen, sodass er kurzfristig 170 Lehrer zusätzlich einstellen musste. Allerdings war schon vor einem dreiviertel Jahr klar, dass die Anzahl der Grundschüler bei mindestens 40.000 liegen wird. Es hätte früher reagiert werden müssen.“ Laut GEW stimmt auch Bögers Einschätzung nicht, dass sämtliche LehrerInnen und ErzieherInnen schon an den Schulen seien. „Noch gestern liefen Einstellungsverfahren für die berufsbildenden Schulen“, so Sinram.
Der Bildungssenator hingegen fordert in der Reformdiskussion mehr Gelassenheit. Wie gelassen ErzieherInnen, LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern sein können, zeigt sich spätestens am nächsten Samstag, wenn die richtigen Schultüten gefüllt werden. ALEXANDRA MÜLLER
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